Die barocken Winterfestspiele der Heidelberger Oper im Schwetzinger Rokokotheater haben in den letzten Jahren die wenig bekannte deutschsprachige Barockoper im Fokus, mit Adonis gelingt eine kurzweilige Inszenierung.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2024/2025 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Sonntag, 29. Dezember 2024
Samstag, 28. Dezember 2024
Smyth - The Wreckers, 27.12.2024
The Wreckers ist zu einem sehr schönen Erfolg für die Karlsruher Oper geworden. Die gestrige Vorstellung (ursprünglich als letzte angekündigt, doch nach einem vorherigen Vorstellungsausfall soll es noch eine weitere Aufführung 2025 geben, die noch nicht angesetzt ist) war ausverkauft. Und das muß man nach wenigen Monaten der neuen Intendanz und Operndirektion ausdrücklich hervorheben: das Publikum kommt wieder zurück! Wo Enttäuschungen und Skepsis lange Jahre nicht wenige abhielten, scheint sich die Normalisierung doch relativ schnell wiedereinzustellen.
Sonntag, 8. Dezember 2024
Strauß - Die Fledermaus, 07.12.2024
Heute ist mehr Lametta
Gute Vorstellungen nehmen die Zuschauer bekanntlich auf eine Reise mit, bei der Ankommen und Unterwegssein dasselbe sind. Das werden vielleicht gestern insbesondere die Zuschauer so empfunden haben, die Die Fledermaus kennen und über die Jahre schon öfters gehört und gesehen haben. In Karlsruhe hat man nun immerhin die dritte Fledermaus in weniger als 25 Jahren bzw. die vierte in vier Jahrzehnten. Pavel Fiebers Inszenierung 2001/2002 war so beliebt und unterhaltsam wie das Regie-Elend vor elf Jahren humorfrei und erfolglos. Gestern nun erzielte die Premiere der neuen Produktion einen schönen Publikumserfolg und indem man schnell musikalisch, sängerisch und szenisch präsent war und auf den Punkt kam, ermöglichte man den Zuschauern schon von Beginn an, anzukommen und sich insbesondere mit den grandiosen Sängern und Musikern zu freuen, die voller Engagement und Spielfreude erreichten, was lange Jahre nur selten gelang: ein lachendes und gut gelauntes Publikum. Bravo!
Freitag, 6. Dezember 2024
Doch kein Musical? Jekyll & Hyde entfällt.
Im Juli 2025 wollte man eigentlich Jekyll & Hyde als Übernahme einer anscheinend erfolgreichen Produktion aus Dortmund zeigen und packte dieses Musical sogar ins Opernpremieren-Abo. Nun gab das Badische Staatstheater lakonisch bekannt:
Die angekündigte Produktion Jekyll & Hyde am Badischen Staatstheater entfällt aus Kostengründen. Die Entscheidung erfolgt aus Gründen der geltenden Sparmaßnahmen, vor allem mit Blick auf die Folgespielzeit. Für die beiden ursprünglich geplanten Termine am 12. und 13. Juli im Großen Haus wird eine neue Produktion für das Karlsruher Publikum angesetzt. Diese soll Anfang 2025 veröffentlicht werden und in den Vorverkauf gehen.
Die Übernahme dieses Stücks scheint zu kostenintensiv. Mal sehen, was man nun als günstigere Neuproduktion ansetzt. Etwas, das aus dem Haus besetzt und ohne großen Aufwand in Szene gesetzt werden kann und auch Einnahmen durch Publikum bringt. Denn das Experiment Musical ist ja vor allem eines, um ein anderes/neues bzw. breiteres Publikum zu erreichen.
Sonntag, 17. November 2024
Leuchtfeuer (Ballett), 16.11.2024
Heterogene Dreifaltigkeit
Ein Handlungsballett als Uraufführung, eine deutsche Erstaufführung und eine Karlsruher Erstaufführung - der Ballettabend Leuchtfeuer bietet drei sehr unterschiedliche Choreographien. Da sollte für jeden etwas dabei sein, aber nicht alles ist unbedingt für jeden. Vom ballettliebenden Karlsruher Premierenpublikum gab es wie gewohnt viel Jubel und langen Applaus und wenn man an dieser zweiten Premiere der neuen Ballettdirektion etwas hervorheben mag, dann daß es Raimondo Rebeck und Kristína Paulin nicht nur in kurzer Zeit gelungen ist, eine Aufbruchsstimmung zu schaffen, sondern daß man insbesondere eine neue Karlsruher Kompagnie zusammengestellt hat, bei der man bereits viele individuelle und kollektive Stärken findet und auf deren weitere Entwicklung man sich freuen kann.
Dienstag, 12. November 2024
2. Symphoniekonzert, 11.11.2024
Das Außergewöhnliche am gestrigen 2. Symphoniekonzert war dessen Aktualität, zwei der drei Stücke waren zeitgenössische Werke von lebenden Komponisten, beide reizvoll, eines davon sogar durchaus kennenswert mit Repertoirepotential.
Donnerstag, 7. November 2024
Vorschau: Händel Festspiele 2025
Montag, 4. November 2024
Brecht - Furcht und Elend des Dritten Reichs, 03.11.2024
Brecht als Orwell: exemplarisch statt episch
Stehende Ovationen, Bravo-Rufe und Jubel - diese Publikumsreaktionen lösten am Badischen Staatstheater zuletzt Oper und Ballett aus, bei denen Wechsel und Neustart gelungen ist und die von einer zuversichtlichen Stimmung profitieren. Ganz anders das Schauspiel, das diese Zuneigung des Publikums aktuell kaum zu spüren bekommt. Man hat auf den Umbruch verzichtet und Aufbruchstimmung war schon vorab nicht zu erwarten und hat sich bisher auch nicht eingestellt. Die ersten beiden Schauspielpremieren der Spielzeit waren dazu wenig begeisternd. Auch die dritte Premiere des neuen Schauspieldirektor Claus Caesar wird das Publikum zwar nicht in Scharen ins Theater locken, aber immerhin gelingt hier eine bemerkenswerte Brecht-Inszenierung, die das für Brecht untypische, nicht verfremdete oder episch wirkende Szenenwerk zu einem exemplarischen Stück über das Verstummen des Einzelnen im autoritären Staat macht. Caesar gelingt mit der Verpflichtung des russischen Regisseurs Timofey Kuljabin eine erste positive Überraschung. Bertolt Brecht (*1898 †1956) ging 1933 ins Exil, bis 1939 wohnte er in Dänemark, wo erste Texte von Furcht und Elend des Dritten Reiches entstand, eine Sammlung von kurzen Szenen mit unterschiedlichen Rollen, mit denen die gesellschaftliche Atmosphäre im nationalsozialistischen Deutschland beschrieben werden sollte. Aufgrund fehlender eigener Anschauung war Brecht auf Berichte und Erzählungen Dritter angewiesen. Doch durch Brechts Distanz erhielten die Szenen eine diktaturübergreifende Prägnanz, die den Text ebenso zur allgemeinen Vorlage für psychologische Mechanismen in jeder Diktatur macht. Brecht schafft hier unbeabsichtigt exemplarisches Theater, das in die Gegenwart aktueller Diktaturen geholt werden kann. Eine Aktualität, die sich die Karlsruher Inszenierung zunutze macht. Die Inszenierung "schlägt einen Bogen von lauter Propaganda hin zum Verstummen und fokussiert auf die unheimliche Gegenwärtigkeit des Brecht‘schen Stoffs." Und diese Aktualisierung ist gelungen und hat durchaus sogar Anknüpfungspunkte für die bundesdeutsche Realität. Denn angesichts einer Bundesregierung, die wieder Journalisten (erfolglos) verklagt, die Denunziationsportale finanziert, die mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Vorbild für autoritäre Staaten geschaffen hat und der Bundesnetzagentur eine Funktion überträgt, die zur Zensur mißbraucht werden kann, ist ein Theaterstück gegen autoritäre Politik und gegen die Beschränkung der Meinungs- und Redefreiheit gerade wieder akut dringend nötig.
Mascagni - Cavalleria Rusticana, Leoncavallo - Pagliacci, 03.11.2024
Einige ließen sich die Gelegenheit zum Triptychon nicht entgehen, drei innerhalb eines Jahrzehnts (1890-1900) uraufgeführte Opern von drei italienischen Komponisten innerhalb von 24 Stunden am Badischen Staatstheater zu hören. Was für Orchester und Chor eher eine Strapaze war, war für das Publikum ein Genuß.
Sonntag, 3. November 2024
Puccini - Tosca, 02.11.2024
Man könnte nach der Wiederaufnahme von Tosca behaupten, daß das seit dieser Spielzeit neu in Karlsruhe agierende Team aus Intendant und Operndirektor in wenigen Wochen seit Spielzeitbeginn den Stimmungswechsel in der Oper bereits erfolgreich eingeleitet hat. Denn obwohl sich die Tosca-Inszenierung des Regisseurs John Dew aus dem Jahr 2000 der 100. Aufführungen nähert, also kaum jemand des opernaffinen Publikums in Karlsruhe und Umgebung diese Inszenierung noch nicht gesehen hat, war gestern fast ausverkauft, nur wenige Plätze in Randlage blieben leer.
Montag, 28. Oktober 2024
Mascagni - Cavalleria Rusticana, Leoncavallo - Pagliacci, 27.10.2024
Glutvoll und lodernd
Es war höchste Zeit, daß die beliebten Opernzwillinge auf die Karlsruher Opernbühne zurückkehren, wo sie zuletzt in den 1990er getrennt inszeniert wurden. Beide Opern handeln von Liebe, Ehebruch, Eifersucht und Totschlag und die Inszenierung verbindet die beiden Einakter zu einer Oper mit zwei Handlungen, die am gleichen Tag im gleichen Ort spielen: "Das Dorf Vizzini südlich von Catania, Piazzetta S. Teresa, 21. April 1946, Ostersonntag". Das Resultat ist gelungen, szenisch spannend sowie musikalisch und sängerisch emotionsstark - immer wieder ergeben sich mitreißende dramatische Höhepunkte. Applaus und Jubel des Publikums waren langanhaltend.
Sonntag, 13. Oktober 2024
Donizetti - Don Pasquale, 12.10.2024
Vergnügtes Sängerfest
Wenn man Zweck und Mittel vertauscht, entsteht oft Zynismus. Im vergangenen Jahrzehnt wurden die Sänger oft zum Mittel reduziert zum Zwecke der Inszenierung und Selbstdarstellung von Regie und Intendanz. Beim neuen Don Pasquale ist die Inszenierung das Mittel zum Zweck von Musik und Gesang. Die Karlsruher Produktion von Donizettis gediegenem Klassiker ist als Buffa ganz aus dem Geiste der Musik inszeniert und ein Sängerfest für ein bemerkenswert auftrumpfendes Quartett. Die gelungene Premiere wurde mit viel Applaus für alle Beteiligten belohnt.
Dienstag, 8. Oktober 2024
1. Symphoniekonzert, 07.10.2024
So unerbittlich prasselte der Regen gestern Abend in Karlsruhe, daß man sein Echo über die Lüftungsanlage des Großen Hauses in stillen Konzertmomenten wahrnehmen konnte. Doch das hiesige Konzertpublikum ist bekanntlich treu, überraschend wenige verkaufte Plätze blieben zum verregneten Start der Konzertsaison leer. In einer visuell überfrachteten Welt verlieren viele die Fähigkeit zum Zuhören und zur Konzentration auf die eigene Wahrnehmung. Die Konzerte der Badischen Staatskapelle sind zur inneren Fokussierung das richtige Gegenmittel, eine Klangoase, die man nicht so einfach wieder aufgibt, auch wenn das gestrige Symphoniekonzert nicht wirklich Begeisterung auslöste.
Montag, 7. Oktober 2024
Tanzkraftwerk, 06.10.2024
Mitreißender Einstand
Ein wichtiger Hinweis vorab: der Vorstell- und Kennenlern-Ballettabend Tanzkraftwerk wird nur noch dreimal aufgeführt (und zwar am 11., 20. und 26. Oktober) - und das sollte man sich nicht entgehen lassen! Hier wird die Vorfreude auf die kommende Spielzeit so erfolgreich geschürt, daß es am Ende der Premiere stehende Ovationen und lautstarken Jubel für die neue Kompagnie und das Leitungsteam gab. Zehn Choreographien sind zu sehen, darunter jeweils drei von Kristina Paulin, die als neue Hauschoreographin eine besondere Rolle einnimmt, sowie vom neuen Ballettdirektor Raimondo Rebeck. Und den abschließenden Boléro von Maurice Ravel, mitreißend getanzt von allen 30 Tänzern des Badischen Staatsballetts, sollte man schon gar nicht verpassen.
Sonntag, 6. Oktober 2024
Kafka - Der Prozeß, 05.10.2024
Kafka als Pflichtthema
Franz Kafka (*1883 †1924) hat kein Theaterstück geschrieben, dennoch ist er in diesem Jahr anläßlich seines 100. Todestags einer der meist aufgeführten Bühnenautoren. Die Erzählung Die Verwandlung sowie die Romane Das Schloß und Der Prozeß scheinen bei Theatermachern in diesem Jahr besonders beliebt und es stellt sich die Frage, wie Kafka heute wahrgenommen wird und zu was er inspiriert. In Karlsruhe hinterließ Der Prozeß gestern im Studio allerdings einen faden Nachgeschmack, als hätte man sich eher einer Pflichtaufgabe entledigt, statt einer Inspiration Ausdruck zu geben. Kein großer Wurf, ordentliches Handwerk, dafür aber motivierte Schauspieler. Der Applaus war rasch enden wollend.