Montag, 28. Oktober 2024

Mascagni - Cavalleria Rusticana, Leoncavallo - Pagliacci, 27.10.2024

Glutvoll und lodernd
Es war höchste Zeit, daß die beliebten Opernzwillinge auf die Karlsruher Opernbühne zurückkehren, wo sie zuletzt in den 1990er getrennt inszeniert wurden. Beide Opern handeln von Liebe, Ehebruch, Eifersucht und Totschlag und die Inszenierung verbindet die beiden Einakter zu einer Oper mit zwei Handlungen, die am gleichen Tag im gleichen Ort spielen: "Das Dorf Vizzini südlich von Catania, Piazzetta S. Teresa, 21. April 1946, Ostersonntag".  Das Resultat ist gelungen, szenisch spannend sowie musikalisch und sängerisch emotionsstark - immer wieder ergeben sich mitreißende dramatische Höhepunkte. Applaus und Jubel des Publikums waren langanhaltend.

Worum geht es in Cavalleria Rusticana?
Die früher als Sizilianische Bauernehre betitelte Oper spielt in einem sizilianischen Dorf am Ostersonntag.
Vorgeschichte: Turiddu kehrte aus dem Militärdienst zurück und fand seine frühere Geliebte Lola verheiratet vor. Er begann eine Beziehung mit Santuzza, begehrte aber weiterhin Lola. Obwohl sie mit Alfio verheiratet ist, entwickelte sich eine Affäre mit Turiddu.
Handlung: Die eifersüchtige Santuzza errät Turiddus Geheimnis und verrät Lolas Ehemann Alfio von der Affäre seiner Gattin mit Turridu. Alfio schwört Rache und fordert den Rivalen zum Duell. Turiddu ahnt seinen Tod und bittet seine unwissende Mama Lucia, sich um Santuzza zu kümmern, sollte ihm etwas passieren. Man erfährt, daß Turridu getötet wurde.

Worum geht es in Pagliacci?
In der deutschen Übersetzung wurde der italienische Plural des Titels zum Singular: Der Bajazzo. Eine fahrende Theatergruppe ist in einem Dorf angekommen. In einem Prolog tritt Tonio vor das Opernpublikum und erinnert daran, daß auch Schauspieler echte Menschen mit echten Gefühlen sind.
Handlung: Canio, der Leiter der Truppe, ist mit Nedda verheiratet, der Hauptdarstellerin der Gruppe. Obwohl sie verheiratet sind, hat Nedda eine Affäre mit Silvio. Der verkrüppelte Tonio, ein weiterer Darsteller in der Truppe, ist in Nedda verliebt, aber sie weist ihn ab und verspottet ihn. Gekränkt und wütend beschließt Tonio, sich zu rächen. Er verrät Canio die Affäre zwischen Nedda und Silvio. Da die Truppe kurz vor der Aufführung für das Dorf ist und Canio auf die Bühne muß, singt der sich für seinen Auftritt vorbereitende, erschütterte Canio eine berühmte Arie. Während der Vorstellung, die eine komische Szene über Ehebruch zeigt, vermischen sich Realität und Spiel. Canio, der die Rolle des betrogenen Ehemanns spielt, verliert die Kontrolle und verlangt von Nedda vor dem Publikum den Namen ihres Liebhabers. Nedda, noch immer in ihrer Rolle, versucht erst, die Situation zu retten, dann weigert sie sich, den Namen preiszugeben. Canio, von Eifersucht und Schmerz überwältigt, ersticht sie auf der Bühne. Als Silvio Nedda zu Hilfe eilt, wird auch er von Canio getötet. Die Oper endet mit dem Ausruf: La commedia è finita! Die Komödie ist zu Ende.

Historisches
Beide Opern kamen bereits kurz nach der Uraufführung auf die Karlsruher Opernbühne. Cavalleria Rusticana (UA 17.05.1890 in Rom) wurde als Sizilianische Bauernehre im Oktober 1891 zuerst am Großherzoglichen Hoftheater in Karlsruhe gespielt, Pagliacci (UA 21.05.1892 in Mailand) im Februar 1893. Der Sopran, der Santuzza und Nedda sang, hieß Frau Reuß, der Tenor, der sowohl Turiddu als auch Canio sang, war Herr Lang, Regie führte in beiden Fällen Herr Harlacher. 


Was ist zu sehen?
Es handelt sich um eine Mit- und Übernahme des neuen Operndirektors aus Oldenburg (Premiere dort im März 2022). Beide Opern sind nicht nur in einem einheitlichen Bühnenbild inszeniert, laut Regie spielen sie hier am selben Ort am selben Tag, von der Morgendämmerung in Cavalleria rusticana bis abends der Vorhang nach dem Bühnenmord in Pagliacci fällt. Szenisch befindet man sich also in Sizilien 1946, Kostüme und die Bühne sind entsprechend einheitlich gestaltet. Die beiden Einakter mit zwei Eifersuchtstoten sind eng verbunden, insbesondere auch, weil der Prolog aus Bajazzo die Vorstellung eröffnet und damit vor Cavalleria Rusticana gestellt wird. Canio liegt zu Beginn der zweiten Oper genau dort, wo man zuvor den toten Turiddu hingelegt hatte. Santuzza darf als stumme, unheilbringende Rolle auf Canio treffen und betritt selber die Bühne des Wanderschauspiels. Die stoische, verhärtet wirkende Mama Lucia, die bereits ihren Sohn Turiddu verloren hat, darf nach Neddas und Silvios nächtlichen Tod dann auch endlich die Fassung verlieren. Da sind gute Ideen, doch das letzte Wort über die Vermischung beider Opern zu einem Werk mit zwei Eifersuchtsdramen ist damit noch nicht gesprochen. Andere Bezüge und Bezugnahmen können hier eine noch wirkungsmächtigere Verbindung herstellen. In der Summe eine gute Inszenierung.

Was ist zu hören?
Erneut erlebt man eine homogene Leistung, bei der alle ein Bravo verdient haben. Mit Milen Bozhkov hat man einen Gast verpflichtet. Der Tenor singt beide Rollen - einen dreisten Turiddu und einen aufgewühlten Canio - mit überzeugender Resolutheit und metallisch timbrierter Stimme. Die eifersüchtige Santuzza wird mit beeindruckend dramatischen Sopran von Ann-Beth Solvang  zwischen Verletzlichkeit und Verzweiflung und dann Wut und Entschlossenheit platziert. Als rachsüchtiger Alfio und verschmähter Tonio hört man Kihun Yoon mit seinem machtvollen, dunklen Bariton, der beide Rollen auch eindrucksvoll spielt. Melanie Lang  überzeugt nicht nur stimmlich, sie hat den Oscar für die beste Nebenrolle  als verbitterte, emotionslose Mamma Lucia verdient - Lang spielt sie filmreif! Bravo!  Ina Schlingensiepen singt Nedda als sich emanzipierende Frau, die sich letztlich aufrecht ihrem eifersüchtigen Ehemann stellt. Als Silvio glänzt Tomohiro Takada mit seiner eleganten und schönen Stimme. In der kleinen Rolle des Beppe kann  Beomjim Angelo Kim mit dem Lied des Harlekin stimmschön auftrumpfen. Und Florence Losseau überzeugt als verführerische Lola.
Johannes Willig läßt die Badische Staatskapelle glutvoll und expressiv musizieren, im berühmten Orchesterintermezzo der ersten Oper melodisch schwelgen und die dramatischen Zuspitzungen auflodern. Chordirektor Ulrich Wagner hatte viel zu tun, Badischer Staatopernchor und Extrachor kommen nicht nur sängerisch, sondern auch als Akteure zum Einsatz und beglücken das Publikum. 

Fazit: Gratulation an den neuen Operndirektor Christoph von Bernuth, denn sängerisch und szenisch waren die ersten drei Premieren der Spielzeit überzeugend. Bravo!

Besetzung und Team
Santuzza: Ann-Beth Solvang 
Turridu/Canio: Milen Bozhkov   
Alfio/Tonio: Kihun Yoon
Mamma Lucia: Melanie Lang   
Lola: Florence Losseau
Nedda: Ina Schlingensiepen
Silvio: Tomohiro Takada
Beppe: Beomjim Angelo Kim   

Musikalische Leitung: Johannes Willig
Chor: Ulrich Wagner 
Regie: Dietrich Hilsdorf
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Nicola Reichert
Licht: Rico Gerstner

1 Kommentar:

  1. @anonym
    Vielen lieben Dank für den Hinweis. Ich bin immer so begeistert vom Cantus Juvenum, daß ich gleich daran denke, wenn ich Kinder auf der Bühne sehe. Hier ist es die Kinderstatisterie, den Hinweis auf CJ habe ich rausgenommen.

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