Etwas ambitionierter bitte
Es war ein ordentliches erstes Jahr, das der neue Intendant Firmbach nach Amtsantritt ablieferte, vieles gelang, manches nicht. Eine gelungene Aufbruchstimmung fühlt sich anders und begeisternder an. Die Frage, ob man Firmbach über 2029 verlängern sollte, kann man nach dieser Spielzeit nicht eindeutig mit Ja beantworten.
Wer sich letztes Jahr vor dem Wechsel des Leitungsteams aus Oldenburg ans Badische Staatstheater mit dem dortigen Opernprogramm auseinandersetzte, der konnte manches Repertoire entdecken, das auch gut nach Karlsruhe gepaßt hätte. Operndirektor Christoph von Bernuth greift nun einiges auf, was er zuvor an früherer Wirkungsstätte bereits auf die Bühne gebracht hat. Für Opern-Fans verspricht die kommende Saison durchaus spannend zu werden.
Das Ballett bietet 2025/26 nichts Bekanntes oder Beliebtes. Raimondo Rebeck ist ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Choreographien zu wünschen.
Und ob das in der Sackgasse befindliche Schauspiel endlich die Wende schafft und aus der Krise kommt, scheint fraglich. Erfolgsstücke hat man schon lange nicht mehr produziert, ob man sich von der gewollten Verengung des Klienteltheateransatzes befreien kann, darf bis zum Gegenbeweis bezweifelt werden. Nichts deutet darauf hin, daß die Stagnation beendet werden könnte. Der fehlende Mut zu mehr Vielfalt und Abwechslung im Schauspiel ist die größte Bürde der neuen Intendanz.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2024/2025 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Donnerstag, 8. Mai 2025
Vorschau auf die Spielzeit 2025/2026 (1)
Montag, 4. November 2024
Brecht - Furcht und Elend des Dritten Reichs, 03.11.2024
Brecht als Orwell: exemplarisch statt episch
Stehende Ovationen, Bravo-Rufe und Jubel - diese Publikumsreaktionen lösten am Badischen Staatstheater zuletzt Oper und Ballett aus, bei denen Wechsel und Neustart gelungen ist und die von einer zuversichtlichen Stimmung profitieren. Ganz anders das Schauspiel, das diese Zuneigung des Publikums aktuell kaum zu spüren bekommt. Man hat auf den Umbruch verzichtet und Aufbruchstimmung war schon vorab nicht zu erwarten und hat sich bisher auch nicht eingestellt. Die ersten beiden Schauspielpremieren der Spielzeit waren dazu wenig begeisternd. Auch die dritte Premiere des neuen Schauspieldirektor Claus Caesar wird das Publikum zwar nicht in Scharen ins Theater locken, aber immerhin gelingt hier eine bemerkenswerte Brecht-Inszenierung, die das für Brecht untypische, nicht verfremdete oder episch wirkende Szenenwerk zu einem exemplarischen Stück über das Verstummen des Einzelnen im autoritären Staat macht. Caesar gelingt mit der Verpflichtung des russischen Regisseurs Timofey Kuljabin eine erste positive Überraschung. Bertolt Brecht (*1898 †1956) ging 1933 ins Exil, bis 1939 wohnte er in Dänemark, wo erste Texte von Furcht und Elend des Dritten Reiches entstand, eine Sammlung von kurzen Szenen mit unterschiedlichen Rollen, mit denen die gesellschaftliche Atmosphäre im nationalsozialistischen Deutschland beschrieben werden sollte. Aufgrund fehlender eigener Anschauung war Brecht auf Berichte und Erzählungen Dritter angewiesen. Doch durch Brechts Distanz erhielten die Szenen eine diktaturübergreifende Prägnanz, die den Text ebenso zur allgemeinen Vorlage für psychologische Mechanismen in jeder Diktatur macht. Brecht schafft hier unbeabsichtigt exemplarisches Theater, das in die Gegenwart aktueller Diktaturen geholt werden kann. Eine Aktualität, die sich die Karlsruher Inszenierung zunutze macht. Die Inszenierung "schlägt einen Bogen von lauter Propaganda hin zum Verstummen und fokussiert auf die unheimliche Gegenwärtigkeit des Brecht‘schen Stoffs." Und diese Aktualisierung ist gelungen und hat durchaus sogar Anknüpfungspunkte für die bundesdeutsche Realität. Denn angesichts einer Bundesregierung, die wieder Journalisten (erfolglos) verklagt, die Denunziationsportale finanziert, die mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Vorbild für autoritäre Staaten geschaffen hat und der Bundesnetzagentur eine Funktion überträgt, die zur Zensur mißbraucht werden kann, ist ein Theaterstück gegen autoritäre Politik und gegen die Beschränkung der Meinungs- und Redefreiheit gerade wieder akut dringend nötig.
Sonntag, 29. September 2024
Stockmann - Die rote Mühle, 28.09.2024
Fehlstart mit grotesker Moralschmonzette
Die erste Premiere des neuen Schauspieldirektors Claus Caesar ist eine Uraufführung und wurde ambitioniert angekündigt. Es sollte ein großer Wurf werden, ein Konstrukt, das scheinbar Wichtiges verhandelt: die Rückkehr des Paternalismus, mit dem die postmaterialistische Welt von Innen verändert wird. Doch was ein Konzentrat sein müßte, entpuppte sich als dünner Aufguß einer ungewöhnlich schlichten Handlung, die wild zusammenkonstruiert, aber nur durch einen schwachen Faden verbunden ist. Was als ambivalent angekündigt war, bewegte sich im Ungefähren und Plakativen, Schlagworte endeten phrasenhaft, teilweise schön inszenatorisch verpackt, aber inwendig ohne Substanz. Die "Moral" der als Groteske inszenierten Handlung hätte man im Kindergarten erzählen können. Wären da nicht starke Schauspielerleistungen zu sehen gewesen, hätte es ein Fiasko gegeben.
Sonntag, 1. September 2024
Vorschau auf die Spielzeit 2024/2025 (2)
Fragezeichen zwischen Kontinuität und Aufbruch
Anna Bergmann scheint rückblickend ein Kassengift, ihre Sparte verlor im Vergleich zu anderen Sparten deutlich mehr Zuschauer. Und hätte es letzte Saison nicht Romeo und Julia im Großen Haus gegeben, durch das man quasi alle verfügbaren Abonnenten jagte, hätten sich die Zahlen eher wieder am Tiefstand der Spielzeit 2022/23 orientiert. Der neue Schauspieldirektor Claus Cäsar hat also viel Luft nach oben, doch wer gehofft hatte, daß es einen Neustart als Umbruch geben würde, der wurde enttäuscht. Cäsar wählte den scheinbar einfachen Weg. Da er zuvor nicht als Schauspieldirektor tätig war, konnte er nichts mitbringen, weder Ensemble noch Repertoire, und übernahm alle bleibewilligen Schauspieler und viele Inszenierungen der letzten Spielzeit. Auch programmatisch fällt Cäsar nicht auf, keine neuen Programmlinien, keine offensichtlich neuen Ideen (man denke nur an Knut Webers fulminante Downtown-Projekte vor 20 Jahren!), der Betrieb wird fortgesetzt, sechs Premieren im Kleinen Haus, drei im Studio, zwölf Wiederaufnahmen. Droht nun bleischwerer Stillstand?
Mittwoch, 29. Mai 2024
Vorschau auf die Spielzeit 2024/25
Es ist endlich wieder soweit: Ein neuer Intendant, neue Direktoren in allen drei Sparten, viele neue Bühnenkünstler, neue Persönlichkeiten und vor allem hoffentlich neue Handschriften, neues Repertoire und Herausforderungen. Die erste Spielzeit ist ein Übergang, um anzukommen und zu entdecken, und doch müssen schnell die Abonnementvorstellungen bestückt werden, um den kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten. Nun ist sehr spät bekannt gegeben worden, welche Verheißungen und Wagnisse geboten werden und welche Vorfreuden man pflegen darf.
Donnerstag, 26. Oktober 2023
Die neuen Direktoren ab 2024/25 sind nun bekannt
Diese Neuzugänge werden laut Pressemitteilung des Badischen Staatstheaters ab 2024/25 in Karlsruhe tätig werden: