Sonntag, 29. Dezember 2024

Rokokotheater Schwetzingen: Kusser - Adonis, 28.12.2024

Die barocken Winterfestspiele der Heidelberger Oper im Schwetzinger Rokokotheater haben in den letzten Jahren die wenig bekannte deutschsprachige Barockoper im Fokus, mit Adonis gelingt eine kurzweilige Inszenierung.

Historisches
Johann Sigismund Kusser (*1660 †1727) studierte sechs Jahre in Paris bei Jean-Baptiste Lully, dem Hofkomponisten des Sonnenkönigs.  Als Komponist arbeitete er u.a. in Braunschweig, Hamburg und Stuttgart, dann ging er 1704 nach London und blieb ab 1707 bis zu seinem Lebensende in Dublin. Der vollständige Orchesterstimmensatz zu Adonis wurde 2005 in Stuttgart wiederentdeckt, wo diese Oper um 1700 gespielt wurde. Kusser scheint dabei auch existierendes Notenmaterial verwendet zu haben, das sich nicht mehr zurückverfolgen läßt. Dirigent und Cembalospieler Jörg Halubek hat diese Oper bereits 2022 konzertant zur Aufführung gebracht (die Aufnahme wurde bei CPO als CD veröffentlicht) und leitet nun auch die Inszenierung in Schwetzingen.

Worum geht es?
Auch Götter sind nur liebende und eifersüchtige Wesen. Cupido (Amor) schießt seine von Vulcanus geschmiedeten Pfeile, teils wahllos zielend, teils grausam bestrafend. Es gibt verschiedene Handlungspfade, Paare finden sich oder auch nicht, drei Liebesgeschichten werden erzählt: die sentimentale von Venus und Adonis, die dramatische von Apoll zu Daphne und die komische zwischen Vulcanus und Pallas. Apoll begehrt vergebens Daphne, Pallas weist Vulcanus zurück. Als Daphne und Pallas vor ihren Verehrern zu Amors Mutter Venus flüchten und sich beschweren, fliegt der nächste in Richtung seiner Mutter. Venus will nun Adonis und der geht am liebsten auf die Jagd. Doch auch Adonis bleibt von Amors Pfeilen nicht unverschont.  Daphne flieht vor Apoll und wird zum Lorbeerbaum und ein fatales Unglück des Adonis folgt der mythologischen Geschichte und zeigt gerade im Moment des Glücks, daß nichts von Dauer ist, auch nicht bei den vermeintlichen Göttern. Wie üblich in Barockopern gibt es Verwicklungen, schwanken Verhältnisse und kippen Stimmungen hin und her. Regisseur Guillermo Amaya inszeniert die Inszenierung. Mit Taschenlampen aus dem dunklen Bühnenhintergrund kommend entdecken und erkunden die Sänger zu Beginn den Fundus und beginnen die Handlung nachzuspielen. Man kombiniert barockisierende Bühnenelemente mit Requisiten. Die Regie zieht also eine weitere Distanzebene zwischen Publikum und Bühne und macht klar, daß man ein unverbindliches, weltfremdes Spiel im Spiel sieht, das sich selber nicht ernst nimmt. Das ist sehr ordentlich gelöst und unterhält gut. Mit den Schönling Adonis geht es in der griechischen Mythologie nicht gut aus, letztendlich tötet ihn der eifersüchtige Kriegsgott Ares in Gestalt eines wilden Ebers. Aber die Lust am Zerstören (manche denken dabei vielleicht an David Finchers Film Fight Club von 1999) ist nicht Thema, der Eber ist kein verkleideter Gott, kein weiterer Handlungsstrang  steckt hinter dem Unglück, nur Schicksal. Adonis hat dadurch etwas melancholisches, das barockoperntypische glückliche Ende bezieht sich nicht auf die Oper, sondern auf die zusätzliche Handlungsebene der Sänger.

Was ist zu hören?
Melodiöse Klänge und spannende Klangfarben, vorwärtsdrängend und auskostend musiziert. Die Continuogruppe ist großzügig besetzt (Cembalo, Fagott, Laute und Barockharfe), Oboe und Flöte begleiten oft die Sänger, ein Fagott ist dabei, es gibt mehrere orchestrale Einschübe durch Jagdmusik und Tänze. Dirigent Jörg Halubek entlockt der Heidelberger Musiker schöne Barockklänge.
Sängerisch ist Adonis nicht durch lange Dacapo-Arien geprägt, sondern durch kurze ariose Affektausbrüche und viele Ensembles, die keinen starren Schemata folgen. Tenor João Terleira als unberechenbarer, die Verwicklungen auslösender Cupido hat eine strahlende Tamino-Stimme, Sopranistin Theresa Immerz singt eine verführerische Venus, Bariton Jonas Müller ist als Adonis hell und klar (manche würden meinen, die Figur sollte einfach gestrickt sein), das Liebesduett mit Venus knistert beglückend, doch Glut hat der Komponist hier nicht vertont. Der junge Bassist Sreten Manojlović überzeugt als Vulcanus mit schönen Koloraturen, Mezzosopranistin Zuzana Petrasová als unnahbare Pallas, die Sopranistin Indre Pelakauskaite hat als Daphne aufbrausende als auch tragische Momente und Countertenor Rémy Brès-Feuillet ist ein beeindruckend zwielichtiger Apollo.

Besetzung und Team 
Venus: Theresa Immerz
Adonis: Jonas Müller
Vulcanus: Sreten Manojlović
Apollo: Rémy Brès-Feuillet
Pallas: Zuzana Petrasová
Daphne: Indre Pelakauskaite
Cupido: João Terleira

Musikalische Leitung: Jörg Halubek
Regie: Guillermo Amaya
Bühne und Kostüme: Stefan Rieckhoff
Lichtdesign: Andreas Rehfeld