Mittwoch, 3. September 2025

Theater im Zeitalter der finanziellen Schieflage (1)

Auf Wiedersehen Schauspiel!?! Tschüß Händel Festspiele?!?
Für manch passionierten Theatergänger ist alles eine Bühne, und wer gewisse öffentliche Selbstdarstellungen beobachtete, dem konnte es schon so vorkommen, als ob in den letzten Jahren zu oft Laiendarsteller versuchen, Politiker zu spielen. Man denke nur an die Wirtschaftspolitik der vergangenen Legislaturperiode, von der hauptsächlich in Erinnerung blieb, daß man die Bundesrepublik anscheinend zum Weltmarktführer für Lastenfahrräder und Sozialausgaben umorganisieren wollte und ansonsten durch rekordmäßig hohe Energiepreise, Abgaben- und Steuerlast versuchte, das Land zu deindustrialisieren und Investitionen und Arbeitsplätze aus dem Land zu exportieren. Die deutsche Politik hat in den letzten Jahren in einigen Bereichen durch falsche Wertigkeiten ihren Beitrag zur Verwahrlosung des Staates geleistet, das Land erscheint auf mehr als nur einer Ebene ver-rückt. In einer aktuellen Bürgerbefragung des Deutschen Beamtenbundes gaben nur bspw. noch 23 Prozent der Befragten an, der öffentliche Dienst sei handlungsfähig und könne seine Aufgaben erfüllen. Die Bundesrepublik wirkt also auf beträchtlich viele inzwischen wie ein dysfunktionaler Staat mit absurder und überbordender Bürokratie, einer aus dem Ruder gelaufenen Migrationspolitik und einem System, das den Anschluß in zu vielen Bereichen verloren hat, von der Bildung über die Wirtschaft bis zur Gesundheit. Nur der Freistaat Bayern hat noch ein funktionierendes Geschäftsmodell und zahlt Milliarden in den Länderfinanzausgleich. Man erlebt in gewisser Weise eine bitterkomische Tragödie, in der die Schwellenhüter als Katalysatoren des Geschehens meistens wie komische Figuren wirken, die früher oder später ein erzwungenes Rendezvous mit der Realität erleben, das zu Kosten der Bürger geht. Auch nach Karlsruhe ist die Wirklichkeit zurückgekehrt. Die Stadt steht laut aktuellen Meldungen vor dem Zwang, ab 2026 jährlich etwa 80 Millionen Euro einzusparen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen zu können und eine Überschuldung zu verhindern. Dem wird sich auch das Badische Staatstheater wohl kaum entziehen können. 

Die Stadt hat massiv gestiegene Ausgaben zu bewältigen. Die Verkehrsbetriebe Karlsruhe sollen ein jährliches Defizit von über 100 Millionen Euro und das Städtische Klinikum von 25 Millionen Euro aufweisen, dazu kommt ein zu hoher Mittelbedarf bei Sozialausgaben und eine Wirtschaftsschrumpfung, die zu geringeren Einnahmen bei Gewerbesteuern und anderen Steuern führte. Besonders im Fokus stehen dabei die großen Empfänger öffentlicher Gelder, darunter auch der Kulturbereich. Das Badische Staatstheater erhält bspw., zusammen mit dem ZKM und der Volkshochschule, etwa 90 Prozent der städtischen Kulturausgaben (anscheinend rund 63 Millionen Euro). Es führt kein Weg daran vorbei, in der kommenden Haushaltsperiode die Finanzkrise einzudämmen und Sparmaßnahmen durchzuführen. Die Verwaltung kündigte an, daß die Details und Zahlen im Herbst für den neuen Doppelhaushalt konkretisiert werden sollen. Die Erwartung ist, daß das Staatstheater sich ebenfalls an den Sparvorgaben beteiligen muß, wobei genaue Summen noch nicht abschließend beschlossen sind. Klar ist aber: Die finanzielle Schieflage der Stadt trifft auch das kulturelle Angebot und die zukünftige Subventionierung des Staatstheaters und man wird sich kaum davor drücken können, sich an den Sparvorgaben zu beteiligen.

Karlsruhe ergreift viele Maßnahmen, die deutlich unpopulärer scheinen als eine Ausdünnung des Kulturbetriebs. Die Stadt will insgesamt rund 440 Stellen bis 2030 streichen, was einer Abbauquote von knapp 8% der gesamten Belegschaft entspricht. Zusätzliche Einsparungen sollen bei Sachmitteln und Verwaltungsleistungen in Millionenhöhe erreicht werden, teils durch digitalisierte und schlankere Abläufe. Die Verkehrsbetriebe Karlsruhe und andere städtische Tochtergesellschaften müssen ihre Defizite durch Stellenabbau und Leistungskürzungen senken. Auch das Fahrangebot des KVV sowie Betriebsdefizite von Bädergesellschaft und Klinikum werden eingeschränkt, Sozialleistungen und bestimmte Förderprogramme werden gekürzt, gegebenenfalls drohen Schließung von Bädern. Auch hier kann sich der Kulturbereich nicht auf sein Pfründe berufend zurückziehen. Das wäre der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. 

"Ab jetzt geht es um die Bedrohung des Kerngeschäfts"
bemerkte Intendant Firmbach. Die Konsequenzen sind bitter: Über 80 Prozent des Budgets des Badischen Staatstheaters sind Personalkosten und es scheint, daß man wesentliche Einsparungen nur durch Personalabbau bewirken kann. Kürzungen treffen somit künstlerisches und technisches Personal und damit wiederum den Programmumfang und die Einnahmen. Firmbach stellte in den BNN klar: "Jetzt steht mit einer Kürzung der gesamten Zuschüsse um rund zehn Prozent eine Größenordnung im Raum, die weit mehr ist als die Grundausstattung einer Sparte. Das könnten nicht einmal die Festgehälter für Schauspiel und Ballett zusammen ausgleichen. Bei dem Angebot, das wir haben, sind wir auf einen großen Apparat an Personal hinter der Bühne angewiesen, von der Technik über die Werkstätten bis hin zum Einlaßpersonal. Und die künstlerische Arbeit mit Gästen zu bestreiten, wäre durchweg noch teurer. Außerdem glauben wir an den Ensemblegedanken und die emotionale Bindung zwischen Publikum und Ensemble."

Was die Stadt anfänglich forderte, würde also die Schließung von Ballett und Schauspiel nach sich ziehen. Ob die Stadt dabei bleibt, bleibt abzuwarten. Doch was ist realistisch? Wenn sich das Badische Staatstheater an den städtischen Bemühungen beteiligen will, dann muß man erst mal den Kernbestand wahren - und das ist vorrangig und vor allem das Orchester und damit die Oper und auch das Ballett, dessen Anziehungskraft insbesondere auch durch Aufführungen mit dem Orchester besteht. Alles andere muß auf den Prüfstand gestellt werden, insbesondere auch, weil hier die Kontinuität des Spielbetriebs kaum in die Waagschale fällt.

Innerhalb des Gemeinderats steht die Diskussion, wie viele Stellen und welche Programmteile des Badischen Staatstheaters tatsächlich gestrichen oder reduziert werden müssen, anscheinend noch aus. Das Jahrzehnt des Theaterneubaus könnte zu einem Jahrzehnt der vorübergehenden Spartenschließung werden. Alle Sparten gleichmäßig zu beschneiden scheint fataler für Qualität, Ausstrahlung und Finanzen, als wenn man ein radikalen Schnitt tätigt, der Orchester, Oper und Ballett auf Kosten der anderen Bereiche rettet. Dennoch drohen hier Einsparungsmöglichkeiten. Die Händel Festspiele könnten einige Jahre, auch wegen des Umzugs ins Konzerthaus während der Renovierung des Großen Hauses, ausgesetzt werden. Und während des Exils im Konzerthaus stellen sich noch ganz andere Fragen: die Bühne ist deutlich kleiner als im Großen Haus. Braucht man weniger Chorsänger während dieser Jahre? Und überhaupt: die Kosten für die erforderliche Anpassung und den Betrieb des Konzerthauses sollen auch eine siebenstellige Summe betragen. 

Die symbolische Schließung der kleinen Untersparten wie das Digitaltheater und das Junge Staatstheater gehört zu den machbaren Sparmaßnahmen, der Verzicht auf das Kindertheater könnte ggf. anderen, kleineren Karlsruher Bühnen beim Überleben helfen, die dann wieder mehr Zuschauer aus den Schulen bekommen. Es scheint, als ob nur eine vorübergehende Schließung der Sparte Schauspiel wirklich zu einer finanziellen Mindestentlastung des städtischen Haushalts führen kann. Quasi im Gegenzug für die Kosten des Neubaus scheint dies der Verzicht, der am praktikabelsten scheint. Das Aussetzen des Schauspiels für ca. fünf Jahre ist dann verbunden mit der Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung, die zukünftig den Neuaufbau des Schauspiels ermöglicht.

Doch wie viel kann man damit einsparen? Wenn man 50 Personen nicht weiterbeschäftigt, sind das jährlich 600 Monatsgehälter die man einsparen kann. Das könnten geschätzt ca. 2,5-3 Millionen Euro jährlich sein , die man sich damit sparen kann. Die entfallende Produktionskosten und die nicht erzielten Einnahmen aufgrund des verringerten Angebots sind hier nicht berücksichtigt und könnten die Rechnung entscheidend verändern. Diese Schätzung bedeutet ein mögliches Sparziel bei Personalkosten von ca. 1,5 Million Euro/Jahr für die Stadt, da das Land dem Badischen Staatstheater genau so viel bezuschußt wie die Stadt, und beide Geldgeber von jedem eingesparten Euro zur Hälfte profitieren. 

Man kann als Theaterenthusiast beten, daß der Kelch am Badischen Staatstheater und vor allem seinen Mitarbeitern noch vorbeigeht, aber man muß sich leider eingestehen, daß auch das Theater einen weiteren Beitrag zu leisten hat. Wie bitter dies wird und wie vernünftig man diese Weichenstellung handhabt, wird sich bald zeigen.