Sonntag, 20. Juli 2025

Ballett-Gala, 19.07.2025

Stimmungsvolles Spektakel zum Spielzeitende
Eine gelungene Gala ist nie einfach nur eine Vorstellung, sondern auch ein Ereignis. Und zu Ereignissen begibt man sich nicht nur wegen der Darbietung, sondern um sie besucht zu haben und dabei gewesen zu sein. Gestern konnte man am Badischen Staatstheater eine solche Gala erleben: eine ausverkaufte, knapp vierstündige Ballett-Vorstellung mit internationalen Gästen, darstellerischen Höhepunkten, launigen Worten und einer Preisverleihung. Wie zu erwarten gab es viel gute Laune und langen Applaus und wer nicht dabei war, hat tatsächlich etwas verpaßt! 

Abschweifung (1)
Galas sind rar geworden am Badischen Staatstheater. Nach der Covid-Epidemie hat man gar ein ganzes Abonnement einfach verschwinden lassen: die Opern-Galas wurden erst lange heruntergewirtschaftet und dann sang- und klanglos gestrichen. Spitzensänger zu normalen Preisen waren noch möglich, als man sich mit dem Geld der Steuerzahler auf Kunst und Künstler konzentrierte (und es genug Publikum gab, die dies zu schätzen wußten), inzwischen haben manche Theater Probleme, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und definieren sich nicht mehr gerne ästhetisch-künstlerisch; Und auch das anspruchsvolle Publikum war nicht mehr gerne gesehen, denn wer Vergleiche ziehen kann, unterscheidet das Bessere vom Guten und erst recht vom Übermaß des Schlechten. Manchen schien es, als pumpe man das Geld der Steuerzahler stattdessen gerne in dubiose Aktivitäten und ideologischen Aktivismus. Zudem haben politische Fehlentscheidungen den finanziellen Spielraum der Theater stark eingeschränkt. Wer es sich leisten kann, darf ins Festspielhaus nach Baden-Baden, um Stars zu sehen. Das Badische Staatstheater hat hingegen an Glanz verloren. Immerhin hat man noch die Händel-Festspiele (nun auch mit Farinelli-Wettbewerb) als Saison-Höhepunkt und auch im Ballett hat man den jährlichen Gala-Gedanken glücklicherweise nie aufgegeben. Nur im Schauspiel ist man von Gala so weit entfernt, wie die Mikrowellen-Mahlzeiten von der Sterne-Gastronomie. Ballett und Oper sind international, das deutsche Schauspiel hingegen wirkt wie hinter der Mauer, abgeschnitten, mangelbehaftet und in sozialistischer Trostlosigkeit gefangen. Viel zu viel Steuergeld fließt in viel zu viel schlechtes Sprechtheater. Man hat ein System des grauen Mittelmaßes geschaffen, und wenn man bedenkt, daß man in Karlsruhe gerade mit vielen hundert Millionen Euro Steuergeldern auch einen Neubau mit neuem Schauspielhaus baut, kann man auch als Theaterenthusiast Kopfschmerzen bekommen. Aber genug der Abschweifung. 

Sonntag, 8. Juni 2025

Palmetshofer - Die Verlorenen, 07.06.2025

Das Drama der metaphysischen Obdachlosigkeit, gekürzt auf einen Familienkonflikt
oder
Feigheit vor dem Text

Zum ersten Mal zeigt das Karlsruher Schauspiel ein Stück des österreichischen Dramatikers und Wortkünstlers Ewald Palmetshofer (*1978), doch der Regisseur beraubt Text und Publikum um eine wesentliche Dimension: Sobald der Autor sprachlich ausholt, unterbindet die Regie den Schwung, kürzt den Text bzw. läßt die Schauspieler in hohem Sprechtempo über die nicht gestrichenen Stellen sinnentleert hinwegeilen. Der Regisseur nimmt dem Drama dabei nicht nur einiges von dessen eigentümlicher Individualität, sondern weicht auch der eigentlichen Herausforderung des Stücks aus, die darin besteht, Handlung und Überbau zu einem Ganzen zu verknüpfen. In Die Verlorenen baut der Autor eine zeitgemäß banale Geschichte (das Stück handelt von einer scheiternden, ihr Kind vernachlässigenden Mutter, die zu spät versucht, den Kontakt zu ihrem mißratenen Sprößling wieder herzustellen) um eine Kritik der positivistischen Kultur bei der das Symptom der Leere, der Verstocktheit und Bosheit des Herzens auf eine spirituelle Krise und metaphysische Obdachlosigkeit in der säkularisierten und radikal diesseitigen Welt im Allgemeinen und auf eine familiäre Verwahrlosung im Speziellen zurückgeführt wird. Auf diese Einbettung des Kerndramas in den größeren Kontext des Verlusts wird überwiegend verzichtet, aus den Verlorenen (im Plural) wird hier Die Verlorene. Doch auch wenn die Regie am Wesentlichen scheitert, ist die Inszenierung des Kerntextes  gut gemacht und überzeugt mit sehr guten Schauspielern.

Dienstag, 3. Juni 2025

7. Symphoniekonzert, 01.06.2025

Mit Lili Boulanger, Ernest Bloch und Dmitri Schostakowitsch konnte man gestern auf eine spannende Entdeckungsreise durch das 20. Jahrhundert gehen.

Sonntag, 25. Mai 2025

Tschaikowsky - Eugen Onegin, 24.05.2025

Seelenschilderung vor symbolischer Landschaft 
Eigentlich sollte Tschaikowskys Oper nicht Eugen Onegin heißen, sondern Tatjana, denn nicht dem titelgebenden Schnösel gehört das Mitgefühl des Publikums, sondern der von ihm verschmähten Frau. Tschaikowsky bezeichnete seine Oper ausdrücklich als "Lyrische Szenen", und jede Inszenierung, die auf die Musik hört, muß einen Weg finden, sich auf die inneren Bewegungen der Figuren, auf intime und psychologisch feinfühlige Motive und leise Gefühlsregungen zu konzentrieren. Der neuen Karlsruher Inszenierung gelingt das in einer durchweg werkgemäßen und damit überraschungsfreien, aber auch etwas nüchtern-leidenschaftslosen Weise, die getragen von den famosen Sängern und Musikern gestern eine gute Premiere feierte.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Vorschau auf die Spielzeit 2025/2026 (1)

Etwas ambitionierter bitte
Es war ein ordentliches erstes Jahr, das der neue Intendant Firmbach nach Amtsantritt ablieferte, vieles gelang, manches nicht. Eine gelungene Aufbruchstimmung fühlt sich anders und begeisternder an. Die Frage, ob man Firmbach über 2029 verlängern sollte, kann man nach dieser Spielzeit nicht eindeutig mit Ja beantworten. 
Wer sich letztes Jahr vor dem Wechsel des Leitungsteams aus Oldenburg ans Badische Staatstheater mit dem dortigen Opernprogramm auseinandersetzte, der konnte manches Repertoire entdecken, das auch gut nach Karlsruhe gepaßt hätte. Operndirektor Christoph von Bernuth greift nun einiges auf, was er zuvor an früherer Wirkungsstätte bereits auf die Bühne gebracht hat. Für Opern-Fans verspricht die kommende Saison durchaus spannend zu werden. 
Das Ballett bietet 2025/26 nichts Bekanntes oder Beliebtes.  Raimondo Rebeck ist ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Choreographien zu wünschen.
Und ob das in der Sackgasse befindliche Schauspiel endlich die Wende schafft und aus der Krise kommt, scheint fraglich. Erfolgsstücke hat man schon lange nicht mehr produziert, ob man sich von der gewollten Verengung des Klienteltheateransatzes befreien kann, darf bis zum Gegenbeweis bezweifelt werden. Nichts deutet darauf hin, daß die Stagnation beendet werden könnte. Der fehlende Mut zu mehr Vielfalt und Abwechslung im Schauspiel ist die größte Bürde der neuen Intendanz.

Sonntag, 27. April 2025

Prokofjew - Romeo und Julia (Ballett), 26.04.2025

Puristisch verpufft
Im Südwesten kennt man die berühmten, weltweit oft getanzten Choreographien von Prokofjews Romeo und Julia aus den 1960ern: John Cranko in Stuttgart und davon beeinflußt Kenneth Macmillan (dessen Version Birgit Keil ab 2006 in Karlsruhe zeigte) schufen dramaturgisch und emotional starke Ballette mit opulenter Ausstattung, die inzwischen aber auch als etwas angestaubte Kostümschinken wirken können. In Karlsruhe zeigt man nun eine 1996 in Monte-Carlo uraufgeführte, puristisch reduzierte Version, die -obwohl fast 30 Jahre alt- szenisch kein bißchen angestaubt wirkt. Doch die Choreographie von Jean-Christoph Maillot konnte gestern in vielerlei Hinsicht nicht überzeugen: sie ist erzählerisch dünn, atmosphärisch blaß und nicht spektakulär, zu viele Höhepunkte verpuffen wirkungslos. Ballettdirektor Raimondo Rebeck, der einst selber als Romeo in Maillots Choreographie tanzte, scheint diese Version aus sentimentalen Gründen gewählt zu haben; Ob er damit beim Publikum einen Volltreffer gelandet hat, darf man bezweifeln. Doch es gab auch Lichtblicke: die hochmotivierten Tänzer des Badischen Staatsballetts, insbesondere Sophie Burke und Lasse Caballero in den Titelrollen, Lucia Solari, Filippo Valmorbida und Geivison Moreira.

Donnerstag, 17. April 2025

Vorstellungsausfall: Lemoyne - Phèdre, 17.04.2025

Ach, schade! Krankheitsbedingt entfällt die letzte Vorstellung von Phèdre und damit eine angemessene Verabschiedung der zwar hochbetagten, aber sich durchaus noch als vital und agil erwiesenen Dame. Nur für eine Handvoll Vorstellungen hat man diese Rarität angesetzt, heute hätte die Dernière sein sollen, knapp 13 Wochen nach der Premiere. Doch das Kennenlernen war spannend, in Erinnerung bleiben insbesondere Ann-Beth Solvang und Armin Kolarczyk, die ihre Rollen grandios interpretierten. 
Man darf gespannt sein, welche französische Rarität (mehr hier) als nächstes auf dem Programm stehen wird. Operndirektor Christoph von Bernuth hatte an seiner vorherigen Wirkungsstätte in Oldenburg Jean-Philippe Rameau (*1683 †1764) auf den Spielplan gesetzt, es gab die Tanzoper Les Boréades in deutscher Erstinszenierung (mehr hier als Auschnitt bei youtube), die sich als Übernahme anbieten würde, und 
Les Paladins (mehr hier). Neben Rameau ist auch Jean-Baptiste Lully ein Komponist, der mal in Karlsruhe gespielt werden könnte. Im Mai sollte die Vorschau auf 2025/26 bekannt gegeben werden.

Sonntag, 13. April 2025

Fallwickl - Die Wut, die bleibt, 12.04.2025

Beate Zschäpe als Vorbild für "starke Frauen"?
Uiuiuiuiuiuiui! Wie konnte denn dieser Absturz passieren? Nicht nur hat das Karlsruher Schauspiel aus einem unterbelichteten Roman ein unterbelichtetes Theaterstück gemacht, man zeigt auch noch den Haltungsschaden, einem gewaltverharmlosenden Text nicht ansatzweise gerecht werden zu können. Man stelle sich folgenden Handlungsstrang vor: 
Eine Gruppe männlicher Jugendlicher, die allesamt Opfer migrantischer Gewaltanwendung geworden sind, beginnen Kampfsport zu trainieren und Muskeln aufzubauen. Irgendwann fühlen sie sich bereit, zusammen als maskierter Trupp ihre Peiniger zu überfallen und gemeinsam zu verprügeln. In der Folge beginnen sie, Ausländer zusammenzuschlagen, von denen sie Schlechtes gehört haben, und dann töten sie unbeabsichtigt ein Opfer. Sie tauchen ab, aber wollen im Untergrund weitermachen: 'Jungs wie wir werden überall gebraucht'.
Das mag manche an den nationalsozialistischen Untergrund (NSU) erinnern. Aber kaum jemand wird auf die Idee kommen, daß diese Geschichte ein 'maskulines Empowerment' erzählt. Das Karlsruher Schauspiel hingegen schon. Ein Handlungsstrang aus Die Wut, die bleibt:
Eine Gruppe weiblicher Jugendlicher, die allesamt Opfer männlicher Gewaltanwendung geworden sind, beginnen Kampfsport zu trainieren und Muskeln aufzubauen. Irgendwann fühlen sie sich bereit, zusammen als maskierter Trupp ihre Peiniger zu überfallen und gemeinsam zu verprügeln. In der Folge beginnen sie, Männer zu zusammenzuschlagen, von denen sie Schlechtes gehört haben, und dann töten sie unbeabsichtigt ein Opfer. Sie tauchen ab, aber wollen im Untergrund weitermachen: "Mädchen wir wir werden überall gebraucht."
Wie erzählt man diese kriminelle Entwicklung? Als "weibliches Empowerment"!?! Echt jetzt!?! Man mag es kaum glauben: das Karlsruher Schauspiel flirtet mit faschistoiden Ideen.

Montag, 31. März 2025

Strauss - Der Rosenkavalier, 30.03.2025

Aus der Zeit gefallen, aus den Fugen geraten, aus der Perspektive des Wehmuts
Der neue Karlsruher Rosenkavalier ist eine Übernahme einer Inszenierung, die 2006 in Berlin Premiere feierte (und später auch u.a. in München und Prag zu sehen war). Regisseur Andreas Homoki, damals Intendant der Komischen Oper, erschuf eine grundsolide, aber etwas zu humorlose Inszenierung, die sich an zentralen Stellen verdichtet, indem sie nachdrücklich die Brüche ernst nimmt und die Wehmut, die über ihnen liegt. Am Schluß gibt es zwar ein glückliches Liebespaar, doch manches gerät dabei aus den Fugen und fällt aus der Zeit. Letztendlich überzeugt diese Inszenierung durch die Rücksichtnahme, man möchte fast Zärtlichkeit sagen, mit der der Regisseur den drei liebenden Figuren begegnet. Die gestrige Premiere gelang homogen auf hohem Niveau und erhielt sowohl sängerisch als auch musikalisch viel Applaus und Bravos, und insbesondere das zentrale Sängerquintett war grandios.

Montag, 3. März 2025

Sonntag, 23. Februar 2025

Konzert mit drei Countertenören, 22.02.2025

Wer nach der Rinaldo-Premiere musikalisch und sängerisch nicht ganz zufrieden war, der tat gut daran, gestern gleich wieder ins Badische Staatstheater zu gehen, denn das Orchestre de l’Opéra Royal de Versailles gab ein Konzert mit Barockarien (auch aus Rinaldo), für das man drei Countertenöre aufbot, und dieses Konzert bot, was man am Abend zuvor teilweise vermißte: beredtes Musizieren und virtuoser Gesang.

Samstag, 22. Februar 2025

Händel - Rinaldo, 21.02.2025

Zwischen Effekten und Affekten
Vielversprechend war, was man über den neuen Rinaldo vorab zu hören und sehen bekam. Und tatsächlich ist der neue Rinaldo bemerkenswert in vielerlei Hinsicht: Bühne und Kostüme sind  einfallsreich, viele szenische Veränderungen und Kostümwechsel lassen keine Langeweile aufkommen. Der Regisseur läßt es sich allerdings nicht ganz nehmen, das Publikum zu quälen, und auch sängerisch und musikalisch ist man nicht durchgehend im Goldstandard. Doch auch wenn die visuellen Effekte stärker in Erinnerung bleiben als die musikalischen Affekte, ist der neuen Festspielleitung ein sehenswerter und stark applaudierter Einstieg bei den Karlsruher Händel Festspielen gelungen.

Freitag, 21. Februar 2025

Vorschau auf die Händel Festspiele 2026

Jetzt ist es offiziell und der Vorverkauf hat heute begonnen: Tamerlano wird 2026 erneut inszeniert und man hat Altmeister René Jacobs als Dirigenten verpflichtet.

Montag, 17. Februar 2025

Erste Vorschau auf die Händel Festspiele 2026

Wenn man den Gerüchten glauben will, dann gibt es auch bei den Händel Festspielen 2026 eine Wiederholung. Anscheinend wird man im kommenden Jahr Händels Tamerlano inszenieren, eine Oper, die es bereits bei den Händel Festspielen 1993 zu hören gab. Weiterhin scheint man sich also nicht an die Lücken bei den Karlsruher Händel Festspielen zu trauen, denn sonst hätte man bspw. Faramondo oder Floridante, Atalanta oder Sosarme inszeniert. Aber warten wir's ab ....