Beate Zschäpe als Vorbild für "starke Frauen"?
Uiuiuiuiuiuiui! Wie konnte denn dieser Absturz passieren? Nicht nur hat das Karlsruher Schauspiel aus einem unterbelichteten Roman ein unterbelichtetes Theaterstück gemacht, man zeigt auch noch den Haltungsschaden, einem gewaltverharmlosenden Text nicht ansatzweise gerecht werden zu können. Man stelle sich folgenden Handlungsstrang vor:
Eine Gruppe männlicher Jugendlicher, die allesamt Opfer migrantischer Gewaltanwendung geworden sind, beginnen Kampfsport zu trainieren und Muskeln aufzubauen. Irgendwann fühlen sie sich bereit, zusammen als maskierter Trupp ihre Peiniger zu überfallen und gemeinsam zu verprügeln. In der Folge beginnen sie, Ausländer zusammenzuschlagen, von denen sie Schlechtes gehört haben, und dann töten sie unbeabsichtigt ein Opfer. Sie tauchen ab, aber wollen im Untergrund weitermachen: 'Jungs wie wir werden überall gebraucht'.
Das mag manche an den nationalsozialistischen Untergrund (NSU) erinnern. Aber kaum jemand wird auf die Idee kommen, daß diese Geschichte ein 'maskulines Empowerment' erzählt. Das Karlsruher Schauspiel hingegen schon. Ein Handlungsstrang aus Die Wut, die bleibt:
Eine Gruppe weiblicher Jugendlicher, die allesamt Opfer männlicher Gewaltanwendung geworden sind, beginnen Kampfsport zu trainieren und Muskeln aufzubauen. Irgendwann fühlen sie sich bereit, zusammen als maskierter Trupp ihre Peiniger zu überfallen und gemeinsam zu verprügeln. In der Folge beginnen sie, Männer zu zusammenzuschlagen, von denen sie Schlechtes gehört haben, und dann töten sie unbeabsichtigt ein Opfer. Sie tauchen ab, aber wollen im Untergrund weitermachen: "Mädchen wir wir werden überall gebraucht."
Wie erzählt man diese kriminelle Entwicklung? Als "weibliches Empowerment"!?! Echt jetzt!?! Man mag es kaum glauben: das Karlsruher Schauspiel flirtet mit faschistoiden Ideen.
Es scheint, als ob die Welt wieder zunehmend darauf reduziert wird, nur noch die Summe der in ihr zu führenden Kämpfe zu sein. Kompromisse wirken zunehmend unerwünscht, kaum eine Lappalie, die medial nicht als "umstritten" beschrieben wird. Es geht offen um Polarisierung, Macht und Vorherrschaft; In der bornierten Welt des Schwarzweiß und der Feindbilder wird denunziert und diffamiert, die schrille Tonlage der Empörung, des Ressentiments und der moralistischen Hysterie bestimmt den aktuellen Klang in den medialen Blasen. Hingegen sind Hinterfragen, Differenzierung und Dialog aus der Mode gekommen. Mareike Fallwickls Die Wut, die bleibt greift diese Polarisierung aus weiblicher Perspektive auf und wendet sie an. Der Roman beschreibt eine Radikalisierung und zeigt, daß Frauen ebenso toxisch sind wie Männer. Weibliche Gewalt scheint ein gesellschaftliches Tabu, sie richtet sich oft gegen Alte und Kinder und wird kaum untersucht. Die Wut, die bleibt bricht mit diesem Tabu, Fallwickls Roman handelt kaum von Gewalterfahrung (und schon gar nicht von männlicher, obwohl Männer häufiger Opfer von Gewalt als Frauen sind. Männliche Opfererfahrungen finden in der Gesellschaft allerdings kaum Beachtung), das Buch thematisiert weibliche Täter und erzählt von scheiternder Weiblichkeit und von den Ressentiments und Feindbildern, die es benötigt, um ihre Probleme zu kompensieren. Fallwickl beschreibt Gewaltphantasien, in denen junge Frauen brutale Gewalt gegen Männer ausüben, kriminell werden und letztendlich einen Senioren töten oder zumindest sehr schwer verletzen. Sie erschafft dafür eine weibliche Viererbande als Variante zum mordenden NSU, in dem sie das Zusammengehörigkeitsgefühl einer weiblichen Schicksalsgemeinschaft sprachlich an einstige militaristische Männerbünde annähert: Die vier Varianten der Beate Zschäpe machen sich vor, daß Gewalt gerechtfertigt ist. Irritierend am Roman sowie an der Inszenierung ist dabei die unkritische Einseitigkeit, mit der die vier verbrecherischen Proto-Zschäpes geschildert werden, im Programmheft interpretiert die Autorin Gewalt als legitimes Mittel, als "verspätete Notwehr", um 'gegen Ungerechtigkeiten' anzugehen, und da Gerechtigkeit von Kontext und Perspektive abhängt, kann man damit jede Gewalt rechtfertigen. Die Karlsruher Bühnenfassung des Romans hat einen Haltungsschaden, denn statt eine Studie der Gewalt und kriminellen Radikalisierung interpretiert man die Handlung kritiklos als gefühliges weibliches "Empowerment", das in die faschistoide Falle tritt, die psychopolitische Norm des staatlichen Gewaltmonopols in Frage zu stellen und Gewalt zu billigen und zu verharmlosen. Als Zuschauer hat man das sehr ungute Gefühl, das diese Lesart der Delegitimierung des demokratischen Rechtsstaats auch ab 1933 Gefallen bei deutschen Theatermachern gefunden hätte.
Worum geht es im Roman?
Beim familiären Essen steht eine Frau vom Tisch auf und begeht unvermutet Selbstmord. Diese Grundkonstellation aus Mareike Fallwickls Roman Die Wut, die bleibt hat die Autorin bei einem ungleich bedeutenderem Schriftsteller abgekupfert, und zwar aus dem 1992 erschienenem Bestseller-Roman Corazón tan blanco (Mein Herz so weiß) des verfrüht an Covid verstorbenen spanischen Autors Javier Marías (*1951 †2022). Doch was sich bei Marías als atmosphärisch dicht gestricktes, ambivalentes Rätsel spannend entwickelt, wird bei Fallwickl über weite Strecken zum schlicht konstruiertem Jugendbuch mit unterbelichtetem ideologischem Agitprop-Charakter.
Ort und Zeit: Salzburg am Ende der Covid-Epidemie
Helene, Mutter von drei Kindern, steht während eines familiären Abendessens auf, geht zum Balkon und stürzt sich in den Tod. Dieses unvorhersehbare Ereignis hinterlässt ihre Familie und Freunde in einem Zustand des Schocks, des Schmerzes und der Orientierungslosigkeit. Helenes Motive bleiben spekulativ im Ungefähren. Der Roman beleuchtet nicht die Ursachen, nicht die vorangegangene Depression, sondern die Auswirkungen dieses Verlusts aus den Perspektiven von Helenes ältester Tochter Lola und Helenes bester Freundin Sarah.
Die Krimi-Autorin Sarah, seit Kindheitstagen Helenes beste Freundin und kinderlos, übernimmt aus Schuldgefühlen die Rolle einer Ersatzmutter für Helenes Kinder. Dabei wird sie mit der Aufgabe konfrontiert, einen Haushalt mit Kindern zu führen und führt imaginäre Dialoge mit ihrer toten Freundin. Ihre eigene Hilfsbereitschaft überfordert Sarah letztendlich, sie macht Helenes Mann Johannes fälschlicherweise den Vorwurf, sie auszunützen, doch tatsächlich mußte sie erst ihr Versagen als Freundin neun Monate abarbeiten, um zu sich selbst zu finden.
Lola, die beim Tod der Mutter 14jährige Tochter, reagiert weniger mit Trauer denn mit Wut, die sie zunächst gegen sich selbst richtet (sie hungert und verletzt sich vorsätzlich) bevor sie später gewalttätig und kriminell wird. Sie findet Halt in einem weiblichen Freundeskreis, der Kampfsport trainiert, um ihre körperliche Unterlegenheit gegenüber dem starken Geschlecht zu kompensieren. Sie beginnen in der Gruppe als Schlägertrupp mehr oder weniger von ihren Müttern nicht hinreichend erzogene böse Jungs aus ihrem Umfeld zu verprügeln. Mit wachsendem Selbstbewußtsein steigen Hybris und Gewaltbereitschaft, man macht kurzen Prozeß vor dem Volksgerichtshof der eigenen Ressentiments, in dem auf eine Verteidigung verzichtet wird und die Gruppe als Staatsanwältin, Richterin und Vollstreckerin in einer Person agieren. Die Gewalt wird faschistoid befreiend beschrieben, im Roman heißt es bei einem Überfall: "Es ist am Ende gar nicht so schwer, Zähne aus dem Zahnfleisch zu brechen. Und das Geräusch ist so viel harmloser als erwartet. Die Kraft in ihrem Faustschlag ist nicht die Wut eines Teenagers. Es ist die Wut aller Frauen dieser Welt. Und deshalb ist es der finale, heftigste Schlag, ... Alva klappt das Messer auf." Eine neue Volksgemeinschaft der Frauen wird beschworen. Bei einem späteren Überfall töten sie einen Rentner. Lola haut mit ihren Freundinnen ab, um sich der polizeilichen Ermittlung zu entziehen und quasi eine Untergrundbewegung zu gründen, sie wollen das Streichholz sein, an dem sich anti-männliche Gewalt entzünden kann. Die Autorin zieht ihre Zschäpes für die Grenzüberschreitungen nicht zur Verantwortung, sondern gönnt der pseudo-feministischen NSU-Variante ein vorläufiges Happy-End: "Mädchen wie wir werden überall gebraucht".
Worum geht es in der Bühnenadaption?
Raffinesse ist nicht Fallwickls Fall. Ihr Roman nimmt den Leser führend an die Hand, erklärt ihm viel, hat aber kaum Dialoge oder doppelte Böden und bietet sich nicht als Theaterstück an. Die Bühnenfassung von Jorinde Dröse und Johanna Vater kann dieses Manko nicht beheben. Der Roman ist gut zusammengefasst, man beläßt ihn aber im dumpfen Agitprob-Modus. Dem Publikum wird erklärt, wie sich Personen fühlen, es wird doziert und gelabert, die Texte wirken hölzern und flach, als ob man ein etwas einfach gestricktes Publikum indoktrinieren will. Man setzt den Akzent nicht auf die Radikalisierung, die Gewalt wird verharmlosend als Tanz ohne Opfer choreographiert Statt den Vulgärfeminisimus des Buchs zu entlarven, biedert man sich ihm einfallslos an. Denn nur vordergründig geht es um eine Selbstermächtigung, tatsächlich um eine selbst gewählte weibliche Entmündigung, da man Frauen als vermeintliches Opfer sieht und das als Entschuldigung dafür anführt, sich zum Täter aufzuschwingen.
Abschweifung: Barbiefeminstinnen bei der Care-Arbeit
Die Autorin Mirna Funk schrieb 2014 einen Leitartikel für „Der Freitag“. Er hieß Die Barbiefeministinnen. Laut Funk: "Es ging um einen Typus Frau, den ich in meiner Generation mit Erschrecken entdeckte. Frauen, die die Quote verlangten und daß alle gendern. Frauen, die ununterbrochen auf das Patriarchat schimpften, aber sich gleichzeitig nach einem Versorger sehnten, nach dem ersten Kind erst einmal drei Jahre in Elternzeit gingen .... Für mich waren sie nicht nur ein laufendes Oxymoron, sondern eine absolute Irritation ob meines sozialistischen Aufwachsens in der DDR und meiner arbeitenden Mutter sowie meiner arbeitenden Großmütter. Um ehrlich zu sein, verstand ich die Welt nicht mehr und blickte mit Fremdscham auf diese pseudofeministischen Frauen, die sich offensichtlich mit Händen und Füßen wehrten, ein produktiver und relevanter Teil der Gesellschaft zu werden. Statt zu machen, meckerten sie."
Als Ursache identifizierte Funk den materialistischen Feminismus und Begriffe wie Care-Arbeit: "Diese Ideologie behauptet, daß selbst die Schwangerschaft schon Arbeit ist und das Austragen des Kindes selbstverständlich auch und all das, was dann danach folgt. Windeln wechseln? Arbeit! Das Kind füttern? Arbeit! Holzklötze stapeln? Genau, Arbeit! Die Spülmaschine ausräumen? Arbeit. ..... Der Begriff, der aus diesem Denken abgeleitet wurde, ist Care-Arbeit. Man hört ihn von Frauen, Müttern und in Medien. Das Ziel war, Männer daran zu erinnern, daß da zu Hause ordentlich was zu tun ist. Im Übrigen mit und ohne Kinder. Und das ist erst mal gar nicht falsch, sondern sehr wohl richtig. Denn ja, da ist ordentlich was zu tun zu Hause. Aber das weiß eigentlich jeder, der schon mal in seinem Leben allein gelebt hat. Die Wäsche muß gewaschen, die Spülmaschine ausgeräumt und Lebensmittel eingekauft werden. Wenn man ein Kind hat, dann müssen mehr Socken und mehr Teller gewaschen sowie mehr Karotten gekauft werden. Daß diese Tätigkeiten meist an den Frauen hängen bleiben, ist längst bekannt. Das große Problem: Diese Tätigkeiten zu heroischer Arbeit umzudeuten, hat nicht dabei geholfen, Frauen in die Unabhängigkeit zu führen. Im Gegenteil. Das zeigen auch die erschreckenden Statistiken. 30 Prozent der Frauen arbeiten gar nicht und 40 Prozent in Teilzeit. Das bedeutet, dass rund 70 Prozent der Frauen dieses Landes finanziell abhängig sind. Von wem auch immer."
Wie falsch die Analysen dazu sind, beschreibt Funk wie folgt: „Jede zweite erwerbstätige Frau kann die eigene Existenz nicht sichern“. Genau. Kann sie nicht. Aber aus einem entscheidenden Grund, nämlich, weil sie nur 15 Stunden die Woche arbeitet. Würde dies ein Mann tun, könnte er sich auch keine Miete und sein Frühstück leisten. Auf solche Headlines und Artikel reagieren immer alle gleich. Es gibt die bekannten Entrüstungen und hysterische Schuldzuweisungen, ohne aber das eigentliche Problem ansprechen zu wollen: Weil Frauen nicht Vollzeit arbeiten, können sie weder in der Gegenwart ihre Existenz sichern noch in der Zukunft. Das Ergebnis ist die viel diskutierte Altersarmut. ........" (Mirna Funk in Die Welt )
Was ist zu beachten (1)?
Frankreichs Mütter sind anscheinend emanzipierter als deutsche Mütter. Zweidrittel von ihnen sind in Vollzeit beschäftigt. Die Vollerwerbsquote der Alleinerziehenden liegt in der Bundesrepublik bei ca. 41% und die der Frauen mit Partner bei ca. 33%. Schuld daran ist natürlich nicht das ominöse "Patriarchat" (quasi das Finanzjudentum der Vulgärfeministinnen), sondern einerseits das politische Versagen, Betreuungsplätze für Frauen zu schaffen, andererseits die legitime Bekenntnis, das Aufwachsen der eigenen Kinder nicht zu verpassen oder eine verstärkte Achtsamkeit, bei der Frauen viel besser auf die Work-Live-Balance achten und auch deshalb in Teilzeit arbeiten. Die sogenannte Gender-Pay-Gap hat bekanntlich nichts damit zu tun, daß das "Patriarchat" Frauen weniger bezahlt oder sie vom Arbeiten abhält, sondern weil Frauen entscheiden (und durchaus eigenständig entscheiden), nicht Vollzeit zu arbeiten bzw. nicht Karriere zu machen. Im Roman wird fälschlicherweise angedeutet, daß Frauen sich "dem System" verweigern sollen. Das ist eine verlogene Alibi-Behauptung. Tatsächlich ist die Lösung viel einfacher: geht Vollzeit arbeiten und fordert vom Staat Betreuungsplätze - und davon gibt es zu wenig, weil Personal fehlt. Frauen fühlen sich zu sozialen Berufen berufener als Männer, die fehlenden Fachkräfte in den sozialen Berufen scheinen sich nur durch Frauen besetzen zu lassen. Würden bundesdeutsche Frauen ihre Erwerbsquote steigern, könnten mehr Frauen Karriere machen. Und selbstverständliche sind weder die Juden noch die "Patriarchen" daran schuld, und wer so unterbelichtet ist, immer einen abstrakten Schuldigen zur Erklärung der eigenen Defizite zu brauchen, den sollte man nicht ernst nehmen. Das Badische Staatstheater braucht unbedingt ein gesellschaftlich-intellektuelles Update weg von der ideologischen Fiktion hin zu mehr Wirklichkeit und Wahrheit.
Was ist zu beachten (2)?
Manche Männer träumen von einer bisher klassisch weiblichen Karriere: nach oben zu heiraten. Statt das Geld nach Hause zu bringen, als Hausmann einer erfolgreichen Frau zuhause bleiben zu können, die Kinder groß zu ziehen, sich um Haushalt, Garten, Auto und Garage zu kümmern und bei einer Scheidung abzukassieren und das Haus zu behalten. Wäre die Welt gerecht, müssten viel mehr Frauen über ihren Schatten springen, Verantwortung übernehmen und die Rollenverhältnisse ausgewogen gestalten. Noch immer ist die Lebenserwartung von Frauen Jahre höher als die von Männern, noch immer sterben viel mehr Männer an Stress und Herzinfarkt als Frauen und Jobs mit hohem Risiko für die Gesundheit werden überwiegend vom starken Geschlecht ausgeübt. Von einem Rollenwechsel könnten viele Männer und Frauen profitieren. Doch man muß nur einen Blick an die Universität Karlsruhe werfen, die für ihre karrierewirksamen Studiengänge bekannt ist: 70% Männeranteil zeigen, daß Frauen noch weit davon entfernt sind, sich für die sehr gut bezahlten Jobs zu bewerben. Obwohl man Mädchen in den Schulen bevorzugt fördert und sie seit ca. zwei Jahrzehnten öfters Abitur als männliche Jugendliche machen, meiden sie die lukrativen Studiengänge und wählen lieber andere Ausbildungen. Doch es gibt auch noch eine zweite Hürde: Frauen heiraten zu selten nach unten, sondern suchen sich Versorger. Männern hingegen ist der soziale Status ihrer Partnerinnen weniger wichtig. Auch hier liegt es nicht am "Patriarchat", sondern an der Paarbeziehung, den eigenen Modus Operandi zu finden
Was ist sonst noch zu sehen?
Das Guantanamo der Ehe. Die Bühne besteht aus käfigartigen Räumen mit großen Spiegeln, die das problematische Körpergefühl der Frauen abbilden sollen. Die Erwachsenen sind Karikaturen, insbesondere Sarah (laut Roman "lieb und blond und mollig") wird von Lucie Emons viel zu blond und naiv gespielt, Timo Tank als Witwer Johannes ist auch eher komisch als verzweifelt. Der Roman sieht hier keine Komik vor, doch es gibt Witzfiguren, die aber von der Regie nicht entlarvt werden: Die vier zschäpesken jungen Frauen - Lola und ihre Freundinnen, Sunny, Alva und Femme - dürfen die Dogmen ihrer feministischen Rassenlehre predigen, ohne daß die Regie unter die Oberfläche geht und ihre Borniertheit und Selbstlügen entlarvt. Wie zuvor ihre Indoktrination erfolgt ist, bleibt ebenso unklar. Die brutalen Gewaltszenen sind choreographiert und werden von den Täterinnen getanzt. Gegen Ende sind sie uniformiert als militanter schwarzer Block. Die Opfer sind nicht zu sehen. Man darf sich also nicht wundern, wenn man am Badischen Staatstheater die Geschichte des NSU oder der Roten Armee Fraktion in einer der kommenden Spielzeiten als melodramatisches Ballett zu sehen bekommt, in der die Mörder die Opfer sind. Denn das ist ja offensichtlich das Niveau, auf dem Intendant Firmbach Gewaltverharmlosung betreiben will. Die tote Helene wird von Frida Österberg gespielt, die wie üblich hauptsächlich irgendetwas auf Englisch singt, ohne daß man davon etwas hat. Regisseurin Brit Bartkowiak kriegt es erneut nicht hin, dem Thema hinreichend gerecht zu werden.
Fazit: Man mag es kaum glauben, wie unterbelichtet ein Staatstheater agieren kann, wie kritiklos und einseitig man ein Agitprop-Stück präsentiert und nebenbei Gewalt verharmlost. Wer glauben wollte, daß man nur die Wahl hat, Opfer oder Täter zu sein und Gerechtigkeit eine Frage der gewalttätigen Durchsetzung ist, dem könnte dieser faschistoide Ansatz gefallen. Alle anderen werden sich ungläubig an den Kopf fassen angesichts dieses entlarvenden Fehlgriffs.
Besetzung und Team
Helene: Frida Österberg
Johannes / Direktor: Timo Tank
Sarah: Lucie Emons
Leon: Fabian Kulp
Lola: Emma Suthe
Sunny: Swana Rode
Alva: Jeanne-Marie Bertram
Femme / Sportlehrerin: Sophie von Grudzinski
Regie: Brit Bartkowiak
Bühne & Kostüme: Cora Saller
Musik: Polina Lapkovskaja
Licht: Martin Eberle, Maximilian Decker
Choreographie: Baris Comak