Glutvoll und lodernd
Es war höchste Zeit, daß die beliebten Opernzwillinge auf die Karlsruher Opernbühne zurückkehren, wo sie zuletzt in den 1990er getrennt inszeniert wurden. Beide Opern handeln von Liebe, Ehebruch, Eifersucht und Totschlag und die Inszenierung verbindet die beiden Einakter zu einer Oper mit zwei Handlungen, die am gleichen Tag im gleichen Ort spielen: "Das Dorf Vizzini südlich von Catania, Piazzetta S. Teresa, 21. April 1946, Ostersonntag". Das Resultat ist gelungen, szenisch spannend sowie musikalisch und sängerisch emotionsstark - immer wieder ergeben sich mitreißende dramatische Höhepunkte. Applaus und Jubel des Publikums waren langanhaltend.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2024/2025 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Montag, 28. Oktober 2024
Mascagni - Cavalleria Rusticana, Leoncavallo - Pagliacci, 27.10.2024
Sonntag, 13. Oktober 2024
Donizetti - Don Pasquale, 12.10.2024
Vergnügtes Sängerfest
Wenn man Zweck und Mittel vertauscht, entsteht oft Zynismus. Im vergangenen Jahrzehnt wurden die Sänger oft zum Mittel reduziert zum Zwecke der Inszenierung und Selbstdarstellung von Regie und Intendanz. Beim neuen Don Pasquale ist die Inszenierung das Mittel zum Zweck von Musik und Gesang. Die Karlsruher Produktion von Donizettis gediegenem Klassiker ist als Buffa ganz aus dem Geiste der Musik inszeniert und ein Sängerfest für ein bemerkenswert auftrumpfendes Quartett. Die gelungene Premiere wurde mit viel Applaus für alle Beteiligten belohnt.
Dienstag, 8. Oktober 2024
1. Symphoniekonzert, 07.10.2024
So unerbittlich prasselte der Regen gestern Abend in Karlsruhe, daß man sein Echo über die Lüftungsanlage des Großen Hauses in stillen Konzertmomenten wahrnehmen konnte. Doch das hiesige Konzertpublikum ist bekanntlich treu, überraschend wenige verkaufte Plätze blieben zum verregneten Start der Konzertsaison leer. In einer visuell überfrachteten Welt verlieren viele die Fähigkeit zum Zuhören und zur Konzentration auf die eigene Wahrnehmung. Die Konzerte der Badischen Staatskapelle sind zur inneren Fokussierung das richtige Gegenmittel, eine Klangoase, die man nicht so einfach wieder aufgibt, auch wenn das gestrige Symphoniekonzert nicht wirklich Begeisterung auslöste.
Montag, 7. Oktober 2024
Tanzkraftwerk, 06.10.2024
Mitreißender Einstand
Ein wichtiger Hinweis vorab: der Vorstell- und Kennenlern-Ballettabend Tanzkraftwerk wird nur noch dreimal aufgeführt (und zwar am 11., 20. und 26. Oktober) - und das sollte man sich nicht entgehen lassen! Hier wird die Vorfreude auf die kommende Spielzeit so erfolgreich geschürt, daß es am Ende der Premiere stehende Ovationen und lautstarken Jubel für die neue Kompagnie und das Leitungsteam gab. Zehn Choreographien sind zu sehen, darunter jeweils drei von Kristina Paulin, die als neue Hauschoreographin eine besondere Rolle einnimmt, sowie vom neuen Ballettdirektor Raimondo Rebeck. Und den abschließenden Boléro von Maurice Ravel, mitreißend getanzt von allen 30 Tänzern des Badischen Staatsballetts, sollte man schon gar nicht verpassen.
Sonntag, 6. Oktober 2024
Kafka - Der Prozeß, 05.10.2024
Kafka als Pflichtthema
Franz Kafka (*1883 †1924) hat kein Theaterstück geschrieben, dennoch ist er in diesem Jahr anläßlich seines 100. Todestags einer der meist aufgeführten Bühnenautoren. Die Erzählung Die Verwandlung sowie die Romane Das Schloß und Der Prozeß scheinen bei Theatermachern in diesem Jahr besonders beliebt und es stellt sich die Frage, wie Kafka heute wahrgenommen wird und zu was er inspiriert. In Karlsruhe hinterließ Der Prozeß gestern im Studio allerdings einen faden Nachgeschmack, als hätte man sich eher einer Pflichtaufgabe entledigt, statt einer Inspiration Ausdruck zu geben. Kein großer Wurf, ordentliches Handwerk, dafür aber motivierte Schauspieler. Der Applaus war rasch enden wollend.
Montag, 30. September 2024
Smyth - The Wreckers, 29.09.2024
Spannend, mitreißend und umjubelt
Es hatte sich ja bereits abgezeichnet, daß das Herzblut des neuen Intendanten Christian Firmbach der größten Sparte gehört und die Ära der falschen Wertigkeiten nun endgültig vorbei sein sollte. Die gestrige erste Opernpremiere des neuen Operndirektor Christoph von Bernuth war mit Spannung erwartet und endete als voller Erfolg mit mitreißender sängerischer und orchestraler Leistung und einer gelungenen Inszenierung, die aus Ethel Smyths vergessener Oper The Wreckers einen spannenden Thriller macht.
Sonntag, 29. September 2024
Stockmann - Die rote Mühle, 28.09.2024
Fehlstart mit grotesker Moralschmonzette
Die erste Premiere des neuen Schauspieldirektors Claus Caesar ist eine Uraufführung und wurde ambitioniert angekündigt. Es sollte ein großer Wurf werden, ein Konstrukt, das scheinbar Wichtiges verhandelt: die Rückkehr des Paternalismus, mit dem die postmaterialistische Welt von Innen verändert wird. Doch was ein Konzentrat sein müßte, entpuppte sich als dünner Aufguß einer ungewöhnlich schlichten Handlung, die wild zusammenkonstruiert, aber nur durch einen schwachen Faden verbunden ist. Was als ambivalent angekündigt war, bewegte sich im Ungefähren und Plakativen, Schlagworte endeten phrasenhaft, teilweise schön inszenatorisch verpackt, aber inwendig ohne Substanz. Die "Moral" der als Groteske inszenierten Handlung hätte man im Kindergarten erzählen können. Wären da nicht starke Schauspielerleistungen zu sehen gewesen, hätte es ein Fiasko gegeben.
Montag, 16. September 2024
Eröffnungsgala mit dem neuen Opernensemble, 15.09.2024
Ist der Spuk des letzten Jahrzehnts nun vorbei? Manch einer wird das Wochenende mit Theaterfest und Opernkonzert mit gemischten Gefühlen angegangen sein. Zulange waren unheilvolle Geister am Werk und ob diese so einfach verschwinden oder man gut daran tut, Räucherstäbchen anzuzünden, einen Schamanen mitzubringen oder doch gleich bei der katholischen Kirche einen Exorzismus anfragt, ist durchaus diskutabel. Doch unabhängig davon, ob nun höhere Mächte ihren Beitrag geleistet haben, hat es der neue Intendant Christian Firmbach am ersten Wochenende der Spielzeit geschafft, gute Geister zu bannen und die Gunst des Publikums zu erringen. Und als es dann am Ende eines freudvoll-unterhaltsamen Opernkonzerts auch noch stehenden Applaus im Publikum für die neuen Mitglieder des Opernensembles gab, wird sich bei einigen eine lange nicht mehr gespürte Vorfreude auf die kommende Opernsaison eingestellt haben. Der Spuk scheint vorbei zu sein.
Montag, 9. September 2024
Programm des Theaterfests 2024
Sonntag, 1. September 2024
Vorschau auf die Spielzeit 2024/2025 (2)
Fragezeichen zwischen Kontinuität und Aufbruch
Anna Bergmann scheint rückblickend ein Kassengift, ihre Sparte verlor im Vergleich zu anderen Sparten deutlich mehr Zuschauer. Und hätte es letzte Saison nicht Romeo und Julia im Großen Haus gegeben, durch das man quasi alle verfügbaren Abonnenten jagte, hätten sich die Zahlen eher wieder am Tiefstand der Spielzeit 2022/23 orientiert. Der neue Schauspieldirektor Claus Cäsar hat also viel Luft nach oben, doch wer gehofft hatte, daß es einen Neustart als Umbruch geben würde, der wurde enttäuscht. Cäsar wählte den scheinbar einfachen Weg. Da er zuvor nicht als Schauspieldirektor tätig war, konnte er nichts mitbringen, weder Ensemble noch Repertoire, und übernahm alle bleibewilligen Schauspieler und viele Inszenierungen der letzten Spielzeit. Auch programmatisch fällt Cäsar nicht auf, keine neuen Programmlinien, keine offensichtlich neuen Ideen (man denke nur an Knut Webers fulminante Downtown-Projekte vor 20 Jahren!), der Betrieb wird fortgesetzt, sechs Premieren im Kleinen Haus, drei im Studio, zwölf Wiederaufnahmen. Droht nun bleischwerer Stillstand?
Mittwoch, 28. August 2024
Rückblick: Zuschauerstudie 2023
Das Theater der alten biodeutschen Frauen
Dem scheidenden Interimsintendanten Ulrich Peters scheint das Lob zu gebühren, das Badische Staatstheater nach den beiden Krisen (abgesetzter Intendant und Virusepidemie) nach innen und außen wieder in ruhiges Wasser gebracht zu haben, die Publikumszahlen stagnierten in der letzten Spielzeit auf niedrigem Niveau. Nach der Beendigung der Covid-Beschränkungen hatte das Theater einen Publikumsverlust von ca. 20% - womit man dem Bundestrend entsprach. Interessant ist, daß dieser Zuschauerschwund nicht pauschal war, sondern von Sparte zu Sparte unterschiedlich ausfiel. Das Konzertpublikum blieb treu und verringerte sich kaum, auch die Oper blieb stabil und verlor moderat. "Besonders betroffen sind Schauspiel (ca. -42 %) und Tanz (ca. -27 %)", so die letzte Publikumsstudie. Daß Anna Bergmann und Bridget Breiner ersetzt wurden, ist also eine Chance, wieder an Attraktivität zu gewinnen. Wer besucht eigentlich das Badische Staatstheater?
Donnerstag, 15. August 2024
R.I.P. Heiner Kondschak (*1955 †2024)
Die Karlsruher Auftritte von Heiner Kondschak zeichneten sich stets durch drei Qualitäten aus: Humor, Schlagfertigkeit und Musikalität. Der frühere Schauspieldirektor Knut Weber, der selber nicht so gerne auf der Bühne stand, brachte ihn 2002 nach Karlsruhe mit, wo Kondschak oft beim Theaterfest moderierte und durch das Abendprogramm führte, das Publikum unterhielt und zum Lachen brachte. Mit seinen langen Haaren und seinem struppigen Bart fiel er auf, Kondschak verpasste nicht, über sein Auftreten selber Witze zu machen - er war auf der Bühne ein Eisbrecher, der schnell den Draht zum Publikum herstellte. Kondschak war Musiker, schrieb Theaterstücke, konzipierte musikalische Abende und war an vielen Theatern tätig, am Badischen Staatstheater bspw. mit Kaspars kurzer Traum vom Glück und Dylan – The times they are A-changin’ sowie Wann wenn nicht jetzt. Kondschak starb nun im Alter von 69 Jahren an Herzversagen und nicht wenige rund um Karlsruhe werden noch lange an ihn denken, denn die Abendveranstaltungen bei den Theaterfesten waren seitdem nie wieder so lustig und opulent wie mit ihm.
Mittwoch, 14. August 2024
Von den Freuden der Hochkulturwerte
Samstag, 27. Juli 2024
R.I.P. Wolfgang Rihm (*1952 †2024)
"Ich gehe langsam aus der Welt heraus in eine Landschaft jenseits aller Ferne"
Der Krebs ist ein widerlicher Meuchler. Als im Januar 2017 die Hamburger Elbphilharmonie feierlich eröffnet wurde, hat man den Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm schon vermißt, das von ihm geschaffene Auftragswerk Reminiszenz - Triptychon und Spruch in memoriam Hans Henny Jahnn wurde ohne ihn uraufgeführt, der Kampf gegen die Erkrankung dauerte lang.
Bereits im April 2017 wurde in München von Dirigent Mariss Jansons in gewisser Weise Rihms Vermächtnis uraufgeführt, die knapp 80-minütigen Requiem-Strophen (zu sehen und hören aktuell hier ab Minute 9:45 bei youtube). Komponiert auf unterschiedliche Textquellen, verklingen sie leise und unspektakulär mit einem Epilog, der das Gedicht Strophen von Hans Sahl vertont. Die Schlußstrophe lautet: Ich gehe langsam aus der Zeit heraus in eine Zukunft jenseits aller Sterne, und was ich war und bin und immer bleiben werde geht mit mir ohne Ungeduld und Eile als wär ich nie gewesen oder kaum.
Wolfgang Rihm war als Künstler kopflastig - unglaublich interessiert, belesen und reflektierend, stets in der Lage zu erklären und zu fesseln, in jeder Hinsicht ein Meister der Artikulation. Seine Artikulation und damit sein Werk mag manchen zu intellektuell vorkommen, für ein Publikum bestimmt, das selbst den Affekt gedanklich erfassen und erklären will. Rihms unabhängiger Individualismus drückt sich in einem außergewöhnlichen Œuvre aus. Über 500 Stücke hat der in Karlsruhe geborene Rihm komponiert, welche bleiben werden, wird die Zukunft entscheiden. Das Sinnliche seiner Musik mag sich nicht jedem erschließen, das originell Individuelle und individuell Artikulierte wird sein Markenzeichen bleiben.
Montag, 17. Juni 2024
Abschied aus Oldenburg
Der designierte Karlsruher Intendant Christian Firmbach hat sich am letzten Wochenende aus Oldenburg mit einem Opernball verabschiedet. Einen kleinen Einblick kann man hier sehen:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/Oldenburg-feiert-Opernball-und-verabschiedet-Intendanten,hallonds88182.html
Der NDR bewertet Firmbachs Intendanz sehr positiv, mehr hier:
https://www.ndr.de/kultur/buehne/Intendant-Christian-Firmbach-Gehen-wenn-es-am-schoensten-ist,firmbach102.html