Montag, 16. September 2024

Eröffnungsgala mit dem neuen Opernensemble, 15.09.2024

Intendanz- und Saisonstart mit stehenden Ovationen
Ist der Spuk des letzten Jahrzehnts nun vorbei? Manch einer wird das Wochenende mit Theaterfest und Opernkonzert mit gemischten Gefühlen angegangen sein. Zulange waren unheilvolle Geister am Werk und ob diese so einfach verschwinden oder man gut daran tut, Räucherstäbchen anzuzünden, einen Schamanen mitzubringen oder doch gleich bei der katholischen Kirche einen Exorzismus anfragt, ist durchaus diskutabel. Doch unabhängig davon, ob nun höhere Mächte ihren Beitrag geleistet haben, hat es der neue Intendant Christian Firmbach am ersten Wochenende der Spielzeit geschafft, gute Geister zu bannen und die Gunst des Publikums zu erringen. Und als es dann am Ende eines freudvoll-unterhaltsamen Opernkonzerts auch noch stehenden Applaus im Publikum für die neuen Mitglieder des Opernensembles gab, wird sich bei einigen eine lange nicht mehr gespürte Vorfreude auf die kommende Opernsaison eingestellt haben. Der Spuk scheint vorbei zu sein.

24 Sänger umfasst das Ensemble der Karlsruher Oper, nur neun davon sind neu am Badischen Staatstheater, 15 sind dem Publikum teilweise seit Jahren oder sogar Jahrzehnten bekannt. Der große (Alters-)Umbruch steht noch bevor. Gestern stellten sich acht der neuen Sänger vor, unterstützt durch zwei weitere Ensemblekollegen. Das Konzert war auf einem homogen hohen Niveau, einigen Sänger ist zuzutrauen, neue Publikumslieblinge werden zu können, doch vor allem überzeugte die Ensembleleistung.
 
Es gibt vier neue Soprane: Anastasiya Taratorkina singt kommende Spielzeit u.a. Adele in der Fledermaus und Gretel, und stellte sich mit Chi il bel sogno di Doretta aus Puccinis La Rondine auf eine Weise vor, daß man sofort mehr von ihr und Puccini hören wollte. 
Ann-Beth Solvang wird als Santuzza in Cavalleria rusticana, Marschallin im Rosenkavalier, Tatjana in Eugen Onegin und als Titelheldin in Phèdre zu hören sein. Gestern erklang Acerba volutta aus Cileas Adriana Lecouvreur mit großer dramatischer Wucht. 
Ralitsa Ralinova wird  u.a. in folgenden Rollen zu hören sein: als  Fiordiligi in Così fan tutte, Sophie im Rosenkavalier und Violetta in La Traviata, aus der sie Sempre libera und zusammen mit Florence Losseau das Blumenduett aus Lakmé von Léo Delibes sang. Auf ihren Auftritt als Violetta werden sich nun viele freuen. 
Martha Eason singt kommende Spielzeit u.a. Adele in Die Fledermaus und Norina in Don Pasquale, aus dem sie gestern Quel guardo il cavaliere schwungvoll präsentierte. 

Eine neue Mezzosopranistin Melanie Lang - kommende Saison u.a. als Graf Orlofsky in der Fledermaus zu hören - sang Ah! quel dîner je viens de faire aus Offenbachs La Périchole mit komödiantischem Spiel. Florence Losseau trat in Ensembles auf. Nächste Spielzeit wird sie erneut als Dorabella in Così fan tutte sowie u.a. als Octavian im Rosenkavalier und Graf Orlofskyin der Fledermaus singen. Das Terzett aus dem Rosenkavalier als Abschluß des ersten Teils sangen Ann-Beth Solvang, Anastasiya Taratorkina und Florence Losseau - und auch hier konnte man das gute Gefühl bekommen, daß es Freude bereiten wird, den Strauss-Klassiker wieder in der Karlsruher Oper zu hören

Der neue Tenor Beomjin Angelo Kim singt u.a. Ferrando in Così fan tutte, Alfred in Die Fledermaus, Ernesto in Don Pasquale und Alfredo in La Traviata. Gestern zeigte er bei Di rigori armato aus dem Rosenkavalier eine offene und klare Stimme. Es fehlte gestern Tenor Brett Sprague, der u.a. Mark in The Wreckers, Alfred in der Fledermaus und die Titelrolle in Itch übernimmt.

Man ist in Karlsruhe ja großartige koreanische Baritone gewöhnt. Die beiden neuen Baritone werden zentrale Rollen übernehmen: Leonardo Lee, u.a. als Nabucco, Amonasro in Aida,  Germont in La Traviata und Scarpia in Tosca und Kihun Yoon, der bspw. ebenfalls Nabucco und Scarpia sowie Eugen Onegin und Alfio und Tonio in Cavalleria rusticana Pagliacci singen wird. Lee sang gestern ein eindrückliches Mein Sehnen, mein Wähnen aus aus Korngolds Die Tote Stadt , Yoon überzeugte mit machtvoll dunkler Stimme bei Nemico della patria (eine Arie, die zuletzt Walter Donati in Karlsruhe sang) aus Umberto Giordanos Andrea Chénier  und - zusammen mit Jenish Ysmanov (nächste Spielzeit u.a. Lenskij in Eugen Onegin, Alfredo in La Traviata und lsmaele in Nabucco) im Duett Dio, che nell’alma infondere aus Verdis Don Carlo. 
Weiterhin sangen Beomjin Angelo Kim, Melanie Lang, Leonardo Lee und Anastasiya Taratorkina das Quartett Bella figlia aus Rigoletto.

Zum Abschluß gab es dann das große Tutti: alle Sänger kamen auf die Bühne und sangen Lehárs Dein ist mein ganzes Herz, Rossinis La Danza und als Zugabe die Fußballstadionhymne You'll never walk alone in einer opernwürdigen Orchesterversion sowie Funiculì, funiculà. 

Die Badische Staatskapelle war bestens aufgelegt und spielte zusätzlich die berühmte  Ouvertüre zu Donna Diana von Emil Nikolaus von Reznicek, das Intermezzo aus Notre-Dame de Paris von Franz Schmidt und nach der Pause die Polonaise aus Eugen Onegin und Aram Katchaturjans Walzer aus Maskerade. GMD Georg Fritzsch und Johannes Willig wechselten sich beim Dirigieren ab.

Was ist sonst noch passiert? Firmbach moderierte unbekümmert amüsant, begrüßte ein Paar, das seit 50 Jahren Abonnent ist und schenkte ihnen einen Blumenstrauß. Auch Firmbachs Vor-Vorgänger Achim Thorwald im Publikum wurde persönlich begrüßt, von ihm sind immerhin noch zwei Regiearbeiten im Programm.

Fazit: Ein gelöster und Verklemmungen lösender Konzertabend, der einem das gute Gefühl geben konnte, daß es wieder viel Freude bereiten kann, öfters in die Opernvorstellungen zu gehen.

5 Kommentare:

  1. @anonym
    Vielen Dank für Ihren Kommentar, der mir allerdings in mancher Wortwahl zum jetzigen Zeitpunkt viel zu polemisch ist, als daß ich ihn veröffentlichen mag. Ich stimme Ihnen zu: "Es war eine wirklich schöne Eröffnungsgala mit wirklich sehr guten begeisternden neuen Sängern".
    Nach einem überlangen depressiven Jahrzehnt ist ein Stimmungswechsel erforderlich. Und darin war Firmbach am Wochenende erfolgreich. Er hat natürlich viel geredet, hat viel Werbung gemacht, vermittelt und Scherze gemacht und es auch übertrieben. Um das Publikum in den letzten Reihen zu erreichen, muß man bekanntlich etwas deutlicher agieren. Aber er versuchte damit, eine Verbindung zum Publikum zu finden. Das mag mancher mehr oder weniger gut finden und sicher hat es nicht jeden Humortyp erreicht, aber über die Qualität seiner Leistung als Intendant besagt das gar nichts. Der vorletzte Intendant hat "Die Würde des Menschen ist unantastbar" aufs Theater pinseln lassen und wurde wegen würdelosem Verhalten abgesetzt. Ob Firmbachs Bühnenhumor nun die Innenatmosphäre des Theaters prägt, wage ich zu bezweifeln. Mir ist ein Komiker übrigens lieber als ein Prediger. Firmbach soll meines Erachtens als Intendant überzeugen, als Entertainer tritt er nur selten auf. Von daher warte ich mal die ersten Premieren und die erste Spielzeit ab, bevor ich hier überfrüht zu pauschale Aussagen treffe.

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  2. Schade, dass der Kommentar gelöscht wurde. Ich habe die Moderation ähnlich empfunden, aber beim Großteil des Publikums scheint das ja gut angekommen zu sein. Die Stimmung war jedenfalls super, und die Leute haben das Theater bestens gelaunt verlassen. Der neue Operndirektor von Bernuth hat übrigens beim Theaterfest auf für meinen Geschmack sehr viel angenehmere Art und Weise durch die (kurze) Vorstellung einiger der Ensemblemitglieder im kleinen Haus geleitet. Das war sehr sympathisch. Ihm kann man auch ein riesiges Lob für die neuen Ensemblemitglieder aussprechen, wirklich alle auf einem sehr hohen Niveau, tolle Stimmen. Eine derartige Fülle von neuen wunderbaren Sängern hat damals auch das Team Thorwald/Brux mitgebracht, danach wurde die Arbeit am Ensemble ja sträflich vernachlässigt. Nun kann man finde ich nur hoffen, dass auch die „alten“ Karlsruher Publikumslieblinge wie Barbara Dobrzanska, Ina Schlingensiepen oder Konstantin Gorny in den kommenden Jahren weiterhin schöne Partien zu singen bekommen. Diese Spielzeit scheint ja sehr auf „die neuen“ zugeschnitten worden zu sein. Das ist verständlich, weil man die Neuzugänge natürlich dem Publikum vorstellen möchte, aber gerne in Zukunft wieder mehr für die fantastischen Sänger, die sich über Jahrzehnte in die Herzen der Karlsruher gesungen haben.

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    1. Vielen lieben Dank für Ihren Kommentar und daß Sie den Blick auf die Spartenintendanten richten. Tatsächlich finde ich bisher die drei neuen Direktoren von Bernuth, Cäsar und Rebeck sehr reflektiert und angenehm. Als Moderator hat Firmbach quasi die Flucht nach vorne angetreten und den Entertainer gegeben und damit den Direktoren Platz geschaffen für ihre Themen. Nicole Braunger hat ja beklagt, daß sie nie etwas aufbauen konnte, von Bernuth hat nun ganz andere Möglichkeiten und ich denke, er weiß sie zu nutzen.

      Fast alle Rollen sind doppelt besetzt, interessant ist, wer die Premieren bekommt. Bei der Fledermaus setzt bspw. man stark auf die bekannten Publikumslieblinge, Schlingensiepen als Rosalinde, Klaus Schneider und Matthias Wohlbrecht singen beide Eisenstein, Armin Kolarczyk und Tomohiro Takada sind Dr. Falke. Nur Barbara Dobrzanska ist knapp besetzt: Tosca (allerdings übernimmt Pauliina Linosaari die Rolle) und zwei kleinere Nebenrollen.
      Bassrollen gibt es nicht sehr viele in der kommenden Spielzeit, man hat noch zwei - Gorny und Zhao. Da ist keine Konkurrenz für Gorny in Sicht, als Zaccaria wird er wieder in Nabucco glänzen und sein Gremin in Eugen Onegin ist ebenfalls eine Paraderolle für ihn.

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  3. Eine Frage zu „You'll Never Walk Alone”: Die Bezeichnung als Fußballhymne suggeriert eine Version wie eben die von Gerry and the Pacemakers. Handelte es sich aber nicht eher um das Original aus Richard Rodgers' „Carousel”? Ich selbst konnte leider das Konzert nicht besuchen.

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    1. Vielen lieben Dank Herr Steiner für den Hinweis, es war vermutlich das für Orchester gesetzte Finale aus Carousel, nur in einer deutlich größer besetzten Version.

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