Samstag, 27. Juli 2024

R.I.P. Wolfgang Rihm (*1952 †2024)

"Ich gehe langsam aus der Welt heraus in eine Landschaft jenseits aller Ferne"
Der Krebs ist ein widerlicher Meuchler. Als im Januar 2017 die Hamburger Elbphilharmonie feierlich eröffnet wurde, hat man den Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm schon vermißt, das von ihm geschaffene Auftragswerk Reminiszenz - Triptychon und Spruch in memoriam Hans Henny Jahnn wurde ohne ihn uraufgeführt, der Kampf gegen die Erkrankung dauerte lang. 
Bereits im April 2017 wurde in München von Dirigent Mariss Jansons in gewisser Weise Rihms Vermächtnis uraufgeführt, die knapp 80-minütigen Requiem-Strophen (zu sehen und hören aktuell hier ab Minute 9:45 bei youtube). Komponiert auf unterschiedliche Textquellen, verklingen sie leise und unspektakulär mit einem Epilog, der das Gedicht Strophen von Hans Sahl vertont. Die Schlußstrophe lautet: Ich gehe langsam aus der Zeit heraus in eine Zukunft jenseits aller Sterne, und was ich war und bin und immer bleiben werde geht mit mir ohne Ungeduld und Eile als wär ich nie gewesen oder kaum.

Wolfgang Rihm war als Künstler kopflastig - unglaublich interessiert, belesen und reflektierend, stets in der Lage zu erklären und zu fesseln, in jeder Hinsicht ein Meister der Artikulation. Seine Artikulation und damit sein Werk mag manchen zu intellektuell vorkommen, für ein Publikum bestimmt, das selbst den Affekt gedanklich erfassen und erklären will. Rihms unabhängiger Individualismus drückt sich in einem außergewöhnlichen Œuvre aus. Über 500 Stücke hat der in Karlsruhe geborene Rihm komponiert, welche bleiben werden, wird die Zukunft entscheiden. Das Sinnliche seiner Musik mag sich nicht jedem erschließen, das originell Individuelle und individuell Artikulierte wird sein Markenzeichen bleiben.

In der Nacht zum 27. Juli 2024 ist Wolfgang Rihm im Alter von 72 Jahren nach langjähriger schwerer Krankheit in Ettlingen verstorben.